Schriften von Dieter Kaltenbach
Einweihung Spiel- und Werkplatz Lörrach 03.11.1973
Sie sind sicher gespannt zu sehen, wie es auf diesem neuartigen Kinderspielplatz zugeht und zu hören, was damit bezweckt werden soll. Dieser Spiel- und Werkplatz hat verschiedene Abteilungen, hinter dem Haus der Hüttenbauplatz, vor dem Haus der Sandhaufen, der Hartplatz, die Erdhügel, die im Sommer als Schwimmbad verwendet wurden, die Feuerstelle und die Mosterei. Hier im Gebäude befindet sich der große Spiel- und Bastelraum, dann kommt der Werkraum für Tonen und Schnitzen und am Ende des Gebäudes ein Raum für die mechanische Bearbeitung von Holz und Metall.
Diese Aufzählung der Abteilungen gibt aber noch keine Antwort auf die Frage, was mit diesem Platz eigentlich bezweckt werden soll. Bei rein pragmatischer Beurteilung könnte man sagen, dass Jugendliche beschäftigt werden sollen, dass sie hier verschiedene Handfertigkeiten lernen können. Das Ziel, das sich die Dieter-Kaltenbach-Stiftung mit diesem Spiel- und Werkplatz gesteckt hat, ist jedoch weiter gefasst. Entsprechend der Satzung unserer Stiftung soll dieser Spiel- und Werkplatz der Persönlichkeitsbildung junger Menschen dienen. Ich möchte versuchen, darzulegen, was wir hier unter Persönlichkeitsbildung verstehen.
Zunächst möchte ich es so sagen, dass wir mithelfen wollen, dass junge Menschen zu sich selber kommen, dass sie fähig werden, ihr Leben so zu gestalten, wie es ihrem inneren Wesen und ihrem Schicksal entspricht. Wenn man die konkreten Schwierigkeiten unserer Jugend anschaut, sollte man meinen, dass dieses "Zu sich selber kommen" eine Aufgabenstellung ist, die man nicht gering einschätzen sollte.
Hier stellte sich die Frage, was hindert eigentlich den Menschen daran, zu sich selber zu kommen. Wir haben doch in den letzten 150 Jahren erfolgreich gearbeitet und so viel dazugelernt, das Leben hat so viel an Annehmlichkeiten und an Sicherheit gewonnen. Wo mag es liegen, dass wir mit diesem Fortschritt nicht ganz glücklich geworden sind? Eine Antwort glaube ich, könnte etwa so lauten. Wir haben uns zu ausschließlich auf das, was durch den Menschen machbar ist, konzentriert und den Dingen zu wenig Beachtung geschenkt, die wir nie und nimmer machen können. Wir haben viele Dinge, von denen wir mit unserer ganzen Existenz abhängen, leider sehr vernach1ässigt.
So langsam werden wir jedoch immer stärker darauf hingewiesen, dass wir in einer Umwelt leben, die wir nicht gemacht haben. Wir müssen lernen, dass wir Luft und Wasser und freie Natur und Raum nicht machen können. Wir können sie im besten Falle erhalten. Ich glaube aber, wir sind erst am Anfang derartiger Erkenntnisse und wir werden es wohl noch erfahren, dass es neben der Umweltverschmutzung auch eine Inweltverschmutzung gibt, d.h. dass es auch im Innern des Menschen Bereiche gibt, die nicht machbar sind, so wenig, wie wir die Luft, das Wasser und den Raum, den wir zum Leben brauchen, machen können. Man könnte hieraus ableiten, dass wir uns in Zukunft in ganz umfassender Weise und intensiv um das bemühen müssen, was uns im Leben trägt und was uns geschenkt wird.
Für uns Menschen des europäisch-amerikanischen Kulturkreises ist das weitgehend eine neue Aufgabenstellung, die jedoch von östlichen Kulturen seit jeher betont wurde. Ich möchte behaupten, dass wir unsere Probleme mit der Umwelt erst dann erfolgreich in Angriff nehmen können, wenn wir ein neues Verhältnis zu dieser Umwelt entwickeln, d.h. wenn wir sie nicht nur ausnutzen, sondern auch achten wollen.
Wenn Sie mir zustimmen, dass dieser Gedanke wesentlich ist, dann stellt sich die Frage, was kann man da unternehmen. Im Hinblick auf die Jugend glaube ich, wir sollten unserer Jugend
einen gewissen geschützten Raum freihalten, in dem sie sich bewegen kann, ohne zu viel Pflichten, ohne unnötige rationale Perfektion, ohne zu viel Zweck. Ein Raum, der aber möglichst anregend ist, damit die jungen Leute elementare Erlebnisse haben können mit Erde, Wasser, Luft und Feuer oder allgemein gesagt, mit den elementaren Dingen des Lebens, mit Materialien, mit Werkzeugen, mit sich selber und mit Menschen. Wenn derartige elementare Erlebnisse stattfinden, dann dürfen wir hoffen, dass diese jungen Leute ein Maß für ihr Wollen und Nichtwollen finden, wenn sie dereinst als Erwachsene in die Verantwortung kommen.
Um an einem Beispiel aufzuzeigen, was machbar ist und was nicht bitte ich Sie, sich einen Grashalm und eine Weizenähre vorzustellen. Wir Menschen haben in Jahrtausenden aus Gräsern fruchttragende Gewächse wie Weizen und Roggen gezüchtet und wir sind stolz auf unsere Erfolge. Aber das ursprüngliche Gras haben wir nicht gemacht.
Ob dieser Gedanke alt ist oder neu, progressiv oder konservativ oder mit irgend einem anderen, der vielen modernen Schlagwörter belegt werden kann, sollte uns nicht so sehr kümmern, als die Frage, stimmt es, dass unsere derzeitige Bildung und unser derzeitiges Bemühen im Hinblick auf unsere menschliche Existenz zu einseitig sind?
Die skizzierte Zielsetzung geht natürlich über das hinaus, was dieser Spiel- und Werkplatz zu leisten in der Lage ist, wir glauben jedoch, dass er in diesem Sinne als eine Ergänzung zu unseren Schulen eine wichtige Funktion erfüllen kann und einem echten Bedürfnis entspricht. So kommt es hier weniger darauf an, dass wir großartige Ideen haben, als darauf, dass hier echte Erlebnisse elementarer Art stattfinden.
An dieser Stelle möchte ich Ihnen noch mitteilen, dass die Investitionen für Gebäude und Einrichtungen dieses Spiel- und Werkplatzes etwa DM 300.000, -- betragen. Die jährlichen Betriebskosten werden schätzungsweise auf DM 70.000, -- kommen. Der Spiel- und Werkplatz steht allen Jugendlichen von 6 bis 14 Jahren kostenlos zur Verfügung.
Ich möchte nun noch die Mitarbeiter der Maschinenfabrik Kaltenbach begrüßen und ich spreche es gerne aus, dass durch Ihre Arbeit die materielle Grundlage auch für dieses Unternehmen geschaffen worden ist. Ich zähle mich selbst auch zu den Mitarbeitern dieser Firma und hoffe, dass uns auch in Zukunft die Möglichkeit erhalten bleibt für neue Initiativen und für die Übernahme von persönlicher Verantwortung zum Wohle der Allgemeinheit.
Es ist meine feste Überzeugung, dass die Marktwirtschaft z.Z. und in absehbarer Zukunft bei uns die einzige Wirtschaftsform ist, die uns in die Lage versetzt, die Mittel zur Verfügung zu stellen, die notwendig sind, um den Umweltschutz und andere kapitalerfordernde Zielsetzungen humaner Art, zu verwirklichen. Ohne Zweifel gibt es in der Wirtschaft Zielsetzungen, die verbesserungsfähig sind und die auch verbessert werden müssen. Das sind aber m.E. keine Probleme des Wirtschaftssystems, sondern das sind Fragen der Kultur, der Moral und der geistigen Entwicklung. Auch auf dem Gebiet der Gesellschaftspolitik sollte man versuchen, sich klar zu werden, was machbar ist und was nicht machbar ist und dass es hier durchaus Strukturen und Ordnungen gibt, die zu erhalten es sich lohnt. Ich möchte es nicht verhehlen, dass ich große Bedenken habe, bezüglich intensiver Bestrebungen, die Marktwirtschaft auszuhöhlen oder zu beseitigen.
Zum Schluss möchte ich nun noch sagen, welchen Namen dieser Platz in Zukunft tragen soll. Er soll heißen Spiel- und Werkplatz Lörrach. Mit der Bezeichnung Spiel- und Werkplatz Lörrach soll der Dank an die Stadt Lörrach besonders betont werden. Wir würden uns freuen, wenn dieses Lörracher Modell auch an anderen Orten Nachahmung finden würde. Ich hoffe, dass man
von ihm in Zukunft wird sagen können, die Investitionen und die Anstrengungen haben sich gelohnt. Es ist etwas geschaffen worden, das der Allgemeinheit dient, insbesondere der Jugend.
Jahrestreffen Mai 1977
Die organisatorische Verbindung eines Spiel - und Werkplatzes für Jugendliche (Abenteuerspielplatz) mit Freizeitwerkstätten für Jugendliche und Erwachsene.
Über das Bedürfnis nach gestalterischer Betätigung
Wir gehen davon aus, dass derzeit bei Kindern und Erwachsenen ein Bedürfnis nach gestalterischer Betätigung vorhanden ist, das weitgehend nur außerhalb von Schule und Beruf befriedigt werden kann. Es gibt einige Gründe für die Annahme, dass dieses Bedürfnis derzeit verstärkt auftritt: Verkürzte Arbeitszeit und dadurch mehr Freizeit, fortschreitende Verstädterung und die Kommerzialisierung vieler Lebensbereiche, Verdrängung gestalterischer Komponenten aus vielen Berufen und. aus der Schule in Folge fortschreitender Technisierung und Rationalisierung.
In welchem Umfang ein Bedürfnis, nach gestalterischer Betätigung in unserer Bevölkerung vorhanden ist, bzw. bewusst ist, kann in diesem Zusammenhang nicht näher untersucht werden. Wir gehen davon aus, dass die Befriedigung dieses Bedürfnis im Allgemeinen an entsprechende Anregungen und an gewisse technische Einrichtungen gebunden ist, zumal Gestaltung nur für. ganz bestimmte Zwecke und mit konkret zur Verfügung stehendem Material sinnvoll und befriedigend ist. Wir gehen außerdem davon aus, dass die derzeit gebotenen Möglichkeiten dem Bedarf noch nicht voll gerecht werden können.
Die gestalterische Betätigung in der Freizeit ist für die Persön1ichkeitsentvicklung von besonderer Bedeutung, weil hier auf Zwänge, die in Schule und Beruf notwendig sind, ohne Gefahr verzichtet werden kann. Positive Wirkungen auf Schule und Beruf sind indessen in vielfältiger Weise vorstellbar.
Die Notwendigkeit, entsprechende Institutionen zu schaffen, innerhalb derer derartige Gestaltungen stattfinden können, ist sicher bei den Kindern am größten, zumal im kindlichen Lebensraum die Betätigungsmöglichkeiten und die Anregungen für sinnvolles Tun in der Freizeit durch die Technisierung der Umwelt am stärksten eingeschränkt worden sind. '
Unter diesem Gesichtspunkt sind seit den zwanziger Jahren in einigen europäisch Ländern, d.h. insbesondere in Großstädten Abenteuerspielplätze entstanden. Je nach den pädagogischen Zielsetzungen und den Verhältnissen sind diese Plätze sehr unterschiedlich aufgebaut. Charakteristisch für dieses Konzept der Abenteuerspielplätze ist ein konkretes Angebot an Betätigungsmöglichkeiten handwerklicher Art, wobei der Begriff des Handwerklichen hier in einem umfassenden Sinn zu verstehen ist. Die Konzeption der Abenteuerspielplätze hat sich an vielen Orten für 6- bis 14-jänrige Kinder bewährt. Für Jugendliche über 14 Jahre sind in den letzten Jahren vor allem Jugendzentren errichtet worden. Hier hat man meistens darauf verzichtet konkrete Angebote für bestimmte Betätigungen zu machen, weil der Gesichtspunkt, einen möglichst großen Freiheitsraum zu bieten, im Vordergrund stand. Vielfach hat es sich jedoch gezeigt, dass den Jugendlichen eine sinnvolle Gestaltung derartiger Jugendzentren ohne entsprechende Hilfestellung nicht geglückt ist. Dies deutet darauf hin, dass hier mehr oder anderes geboten werden muss, wenn man die Gewähr haben will, dass derartige Institutionen über längere Zeit hin funktionsfähig sein sollen.
Wir sind davon überzeugt, dass der handwerklichen Betätigung und den hier bestehenden gestalterischen Möglichkeiten in unserer heutigen Situation für die Persönlichkeitsentwicklung eine sehr große Bedeutung zukommen kann, wenn man die hier gebotenen Möglichkeiten richtig ergreift. Wir glauben deshalb, dass eine Freizeitanlage, die solche Möglichkeiten eröffnet, bzw. in den Mittelpunkt stellt, in vieler Hinsicht erfolgversprechend ist.
Wie es zur Konzeption eines Zentrums für Spielen und Gestalten gekommen ist.
Es soll hier zunächst über die Erfahrungen berichtet werden, die in Lörrach mit einem Spiel- und Werkplatz für Jugendliche (Abenteuerspielplatz) gesammelt worden sind und sodann über die geplante Erweiterung dieser Anlage durch Freizeitwerkstätten zu einem Zentrum für Spielen und Gestalten, das 1978 in Betrieb genommen werden soll.
Der Spiel- und Werkplatz Lörrach wird seit drei Jahren von einem vollberuflichen Platzleiter und dessen Ehefrau geführt. Wir versuchen hier vor allem den Kindern handwerkliche Tätigkeiten im weitesten Sinne des Wortes nahezubringen. Es hat sich gezeigt, dass die 6- bis 14-jährigen für die folgenden Tätigkeiten nachhaltig interessiert sind, wobei sich die technischen Probleme und die notwendige Anleitung gut bewältigen lassen:
Innerhalb des Gebäudes: Malen mit Wasserfarben, Töpfern, Holzschnitzen, Papierarbeiten, Herstellen von Adventskränzen, Kasperlepuppen, Fastnachtsmasken und Kostümen.
Im Freien: Feuermachen, Anlegen und Pflegen von kleinen Gärten mit Blumen und Gemüse, Spielen im Sandkasten, Herstellen von Hütten mit Herden und Einrichtungsgegenständen, Feuermachen und Kochen in den Hütten, Graben von Höhlen und Unterständen in einem großen Erdhaufen. Neben diesen handwerklichen Tätigkeiten bietet der Spiel- und Werkplatz auch Gelegenheit für Spiele wie Tischtennis, Ballspiele, Stelzenlaufen auf' die Bäume klettern, Fahren mit verschiedenen Fahrzeugen sowie zum Nichtstun und Zuschauen.
Die Anlage ist eingezäunt und hat eine Grundfläche von 50 x 70 qm. In ihrer Mitte befindet sich ein längliches Gebäude von 10 x 35 m Grundf1äche mit verschiedenen Werkräumen, Küche, Büro und den notwendigen sanitären Einrichtungen.
Neben den oben genannten vielfachen handwerklichen Tätigkeiten werden auch einige anspruchsvollere, wie Drechseln, Metallarbeiten, Macramé und Handweben praktiziert. Es hat sich aber gezeigt, dass in der Altersgruppe von 6 bis14 Jahren hier nur wenige Kinder erfolgreich sein können und der Aufwand von Seiten der Erwachsenen verhältnismäßig groß ist. Im Vergleich mit anderen Abenteuerspielplätzen versuchen wir in Lörrach das Handwerkliche und das Gestalterische besonders zu betonen. Die Art und Weise, wie wir das praktizieren, ist aber durchaus nicht schulmäßig. Im Vordergrund steht das Ziel, dass das Kind bei seinen Tätigkeiten etwas erlebt und nicht, dass es nachweisbar etwas gelernt hat.
Mit der Namensgebung Spiel- und Werkplatz wollten wir zum Ausdruck bringen, dass die Zielsetzung hier etwas anders ist, als bei den meisten uns bekannten Abenteuerspielplätzen. An verschiedenen Orten, so auch in Lörrach, hat man die Erfahrung gemacht, dass die Kinder, sobald sie über 14 Jahre alt sind, andere Betätigungsarten als die „Kleinen“ suchen und auch nicht mehr mit diesen immer zusammen sein wollen. Wir sind uns klar geworden, dass für die Altersstufe der über 14- oder 16-jährigen Jugendlichen differenzierte Kurse angeboten werden sollten, die zu anderen technischen und ästhetischen Anforderungen führen, als sie für die 6- bis 14-Jährigerigen geeignet sind.
Deshalb sind auch die Anforderungen an den Platzleiter bei den beiden genannten Altersgruppen sehr verschieden. Bei den 6- bis l4-Jährigen sollte er für jedes Kind jeder Zeit ansprechbar sein. Bei den über 14-jährigen Schülern steht die intensive Beschäftigung mit einzelnen Problemen im Vordergrund.
Die Erkenntnis, dass unser Spiel- und Werkplatz eigentlich nur für 6- bis 14-jährige Jugendliche voll geeignet ist, hat dazu geführt, dass wir eine Konzeption gesucht haben, die auch für
Jugendliche über 14 Jahre interessant ist und angemessene Angebote bietet. Als erstes sind wir uns über die Notwendigkeit klar geworden, einen zweiten Leiter für den Bereich der Jugendlichen über 14 Jahre zu engagieren. Dann sind wir darauf gestoßen, dass die Techniken und die Anleitung sowie die Einrichtung, die für die über 14-Jährigen erforderlich sind, in etwa auch dem entsprechen, was für Erwachsene geeignet ist. So ist im Laufe der Zeit dann der Entschluss gereift, den bestehenden Spiel- und Werkplatz durch zusätzliche Freizeitwerkstätten zu einem Zentrum für Spielen und Gestalten zu erweitern.
Jahrestreffen April 1978
Zentrum für Spielen und Gestalten
Am 4.Novembr 1974 ist in Lörrach der Spiel- und Werkplatz für Jugendliche eröffnet worden. Der Spiel- und Werkplatz kann nun bereits auf eine fünfjährige Tätigkeit zurückblicken. Das wichtigste bei dieser Arbeit ist bis heute, dass man den Kindern zeigt, was sie machen können und wie man das Werkzeug in die Hand nimmt.
Manche Arbeiten und Beschäftigungen haben sich als besonders attraktiv und im Sinne des Platzes als besonders erfolgreich erwiesen, so zum Beispiel das Malen von großen Bildern mit Wasserfarben, das Herstellen von Tongefäßen aus kanderner Ton, der gebrannt und glasiert wird, das Schnitzen von Salatlöffeln, der Hüttenbau, der Gartenbau, das Herstellen von Masken zur Fastnachtszeit, der Bau von Dachen im Herbst, das Winden von Kränzen in der Adventszeit, das Basteln von Weihnachtsgeschenken. An manchen Nachmittagen sind über 100 Kinder auf dem Platz und an anderen Tagen sind es nur l0 oder 20. Manche Kinder sind Stammgäste und andere kommen unregelmäßig. Maßgeblich für den Erfolg kann nicht nur die Zahl der anwesenden Kinder sein, sondern mehr das, was sie hier erleben und was sie mit nach Hause nehmen.
Bald nach der Eröffnung des Spiel- und Werkplatzes haben wir gesehen, dass wir mit unserem Angebot nur die 6-12 jährigen erreichen konnten. Seit November ist der Spiel- und Werkp1atz nun wieder zur Baustelle geworden. Ein zweites Gebäude ist im Entstehen, um das Angebot den Bedürfnissen der Erwachsenen entsprechend zu erweitern.
Die erweiterte Aufgabenstellung erfordert eine neue Konzeption. Zwei Gesichtspunkte oder zwei Fragen sind hierbei von besonderer Bedeutung:
1. Wie steht es um das Bedürfnis, dem hier entsprochen werden soll?
2. Ist die vorgesehene Organisationsform erfolgsversprechend?
Zunächst möchte ich mich der Frage nach der organisatorischen Form zuwenden. Im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte haben sich immer wieder neue Institutionen entwickelt. Im Bereich der Jugendarbeit erinnere ich an den Fröbel‘schen Kindergarten oder die Abenteuerspielplätze, die in den 20er Jahren erstmals entstanden sind. Diese neuen Institutionen waren in ihrer Zeit jeweils eine Antwort auf neue Situationen und neue Bedürfnisse. Das Zentrum für Spielen und Gesta1ten ist in diesem Sinne auch eine neue Institution. Ob sie für die Stadt Lörrach bzw. für andere Städte, erfolgreich ist, wird sich zeigen.
Ich möchte Ihnen nun einige Gesichtspunkte aufzeigen, die zu der Konzeption geführt haben. Wie groß das Bedürfnis ist, dem das Zentrum entsprechen soll, lässt sich nicht so leicht feststellen. Es gehört nämlich mit zur Aufgabe dieser Institution dieses Bedürfnis zu wecken bzw. bewusst zu machen. Allgemein gesagt will das Zentrum der Jugend und den Erwachsenen neue Möglichkeiten für kreative Betätigung außerhalb der Schule und Beruf bieten.
Wir gehen davon aus, dass die Technisierung des Lebens zur Folge hat, dass die Möglichkeiten gestalterisch tätig zu werden, für die meisten Menschen sich wesentlich vermindert hat. Dies bezieht sich besonders auf die Arbeitswelt aber auch auf den familiären Rahmen. Die Technisierung der Arbeit hat indessen direkte Anstrengungen zur Humanisierung der Arbeit herausgefordert. Man hat hier bereits einiges erreicht und man wird mehr erreichen. Was die Möglichkeiten zur gestalterischen Betätigung bei der Erwerbsarbeit anbelangt, so glaube ich, dass man durch entsprechende Bemühungen entscheidendes erreichen wird.
Wenn man zurückblickt, was aus den vielen Handwerksberufen, geworden ist, was aus den kleinen Landwirtschaften, den Fami1ienhaushalten mit Gemüsegarten, Obstgarten, Blumengarten, Kleintierhaltung usw. geworden ist, dann muss man sehen, dass hier sehr viele Notwendigkeiten und damit auch Möglichkeiten einfach verschwunden sind. In Folge der Konsumentenhaltung vieler Menschen ist zu befürchten, dass das gestalterische Element im Leben noch weiter zurück geht. Für die Entwicklung menschlicher Persönlichkeiten bedeutet dies im Vergleich mit früheren Verhältnissen letztlich einen ernstzunehmenden Verlust. Wenn man das für wesentlich hält, dann erscheint es wichtig, dieses menschliche Grundbedürfnis nach gestalterischer Betätigung wieder zu wecken und entsprechende Möglichkeiten zur Befriedigung zu schaffen.
Die Situation vieler Jugendlicher und die Diskussion über die Jugendarbeit, auch in unseren Städten, deutet meines Erachtens darauf hin, dass diesem Grundbedürfnis in unserem heutigen Leben nicht mehr genug Bedeutung und Raum gegeben wird. Wenn man deshalb die Technik anklagt, und für diese Entwicklung verantwortlich macht, so ist dies kaum sinnvoll. Es hat ja seit eh und je Möglichkeiten gegeben auch außerhalb der Arbeitswelt und außerhalb von Zwängen, die mit der Arbeit verbunden sind, zu üben.
Mir geht es nur darum darauf hinzuweisen, dass diese Veränderungen in der Arbeitswelt derartige Institutionen in einer dringenden Art und Weise notwendig machen. Das Zentrum für Spielen und Gestalten sieht hier insbesondere im Hinblick auf die Jugend seine Aufgabe. Wir sind uns völlig im Klaren, dass es sich um eine sehr umfangreiche und schwere Aufgabe handelt, die viel Geduld und Zeit erfordert und nicht zuletzt auf die tätige Hilfe und Unterstützung durch eine große Zahl von Menschen angewiesen ist.
Das hier aufgesteckte Ziel lässt sich nur erreichen, wenn es gelingt eine durchaus anregende Atmosphäre zu schaffen, die die Menschen und insbesondere die jungen Menschen dazu veranlasst das Wagnis einzugehen mit dem ganzen Einsatz der Persönlichkeit ein Bild zu malen oder eine Plastik zu machen oder ein Möbelstück, einen Teppich selber zu entwerfen und fertig zu machen.
Die Anregungen dürfen sich nicht auf das begrenzen, was ein Kursleiter den Kursteilnehmern beibringt. Die Beziehungen sollten auch in der umgekehrten Richtung und zwischen den Kursteilnehmern lebendig sein. Die gegenseitige Anregung zwischen Jugendlichen bzw. Kindern und Erwachsenen kann sich ebenfalls positiv auswirken. Dass wir versuchen wollen, alle negativen Auswirkungen auf die Kinder fernzuhalten, dürfte sich von selbst verstehen.
Das sich Begegnen mit dem eigenen Wesen oder Unwesen, das man mit sich herumträgt, gehört zu den wichtigsten Erfahrungen, die man machen kann, wenn man in künstlerischer oder handwerklicher Weise sich um eine Gestaltung bemüht. Dazu sind aber im allgemeinen gewisse ernsthafte Gespräche erforderlich und gegenseitige Hilfestellungen sind sehr wertvoll.
Um die Geselligkeit zu fördern und um Gelegenheit zu solchen Gesprächen zu geben, erhält das Zentrum eine Küche, wo man sich jederzeit einen Kaffee oder Tee machen kann und einen Treffpunkt in der Nähe der Küche.
Es ist unser Anliegen eine Form zu finden, die auch an anderen Orten praktiziert werden kann. Eine kritische Betrachtung der Kostenlage ist uns deshalb nur erwünscht. Ich möchte erwähnen, dass die Gelder, die hier ausgegeben werden, letztlich in der Maschinenfabrik Kaltenbach erarbeitet worden sind. Ich hoffe, dass Sie den Eindruck haben, dass hier mit dem Geld sparsam und gewissenhaft umgegangen wird. In Anbetracht dessen, dass die Dieter-Ka1tenbach-Stiftung
als eine gemeinnützige Stiftung anerkannt ist, arbeiten wir etwa zur Hälfte mit öffent1ichen Geldern.
Die Erwartungen, die wir an dieses Unternehmen knüpfen, möchte ich nun noch einmal ganz allgemein formulieren. Wenn man die gestalterische Potenz, die sich bei uns vor allem auf die Beherrschung der Natur richtet, wozu wir durch die Technik sehr viele Möglichkeiten haben, nun mehr auf das Humane bezieht, so darf man hoffen, dass dies auch positive Auswirkungen auf unser Verhältnis zur Umwelt hat und insgesamt zur Harmonisierung des Lebens beiträgt. Wir sind überzeugt, dass dies keine politische Zielsetzung ist. Wir hoffen deshalb darauf, dass wir für dieses Vorhaben nicht nur die Zustimmung der politischen Gemeinde erhalten, sondern auch die Zustimmung aller Parteien, die Zustimmung der Kirchen und der Interessenvertretungen, die im öffentlichen Leben eine Rolle spielen.
Eröffnung des Zentrums für Spielen und Gestalten 18.11.1978
Über die menschlichen Werte der Arbeit und die Zielsetzung des Zentrums für Spielen und Gestalten
Das Zentrum für Spielen und Gestalten läuft nun seit Anfang Oktober. Wöchentlich finden 32 Kurse mit etwa 380 Teilnehmern statt. Mit den etwa 40 Kindern, die den Spiel- und Werkplatz täglich besuchen, ergibt das umgerechnet etwa 100 Besucher pro Tag. Ich möchte versuchen eine theoretische Begründung für unsere Arbeit und für unsere Zielsetzung zu geben.
Unser Signet, das von Herrn Volkmar Kötter geschaffen wurde, stellt in bildhafter Weise dar, was im Zentrum geschehen soll; unser Signet ist gleichzeitig das Funktionsschema des Zentrums.
Auf dem Signet kann man ein Haus erkennen. Eine von außen kommende geschwungene Linie bewegt sich innerhalb des Hauses um einen deutlich markierten Mittelpunkt.
Diese Linie steht für das, was ins Zentrum hineingeht, Material, Energie; das wichtigste sind jedoch die Besucher mit ihren Vorhaben. Eine kurze geschwungene Linie ist nach außen gerichtet. Sie steht für das, was aus dem Zentrum herausgeht, die fertigen Arbeiten, das Wissen und Können, das man sich hier aneignen kann. Die Betonung liegt nicht bei dem, was nach außen geht, sie ist eindeutig auf einen zentralen Punkt gerichtet, um den die von außen kommende Linie herumläuft. Bei meinen weiteren Ausführungen werde ich auf dieses Funktionsschema des Zentrums wieder zurückkommen.
Im Folgenden geht es mir vor allem um die Frage, was bei unserer Institution im Mittelpunkt stehen soll. Wenn man unsere Anlage mit den Werkstätten und die Tätigkeiten, die hier ausgeübt werden, betrachtet, dann ist der Unterschied zu einem handwerklichen Unternehmen nicht so ohne weiteres feststellbar. Nur das Funktionsschema des Zentrums wäre für einen produzierenden Betrieb von vornherein nicht brauchbar. Hier müsste die Betonung der verschiedenen Funktionen von vornherein anders sein. Für einen produzierenden Betrieb könnte das Funktionsschema vergleichsweise so aussehen.
Hier ist es vor allem wichtig, dass das, was herausgeht, der sogenannte Output grösser ist, als das, was hineingeht, der sogenannte Input. Für das, was innerbetrieblich passiert, gelten als ideal die Geradlinigkeit, die :Reibungslosigkeit und die Schnelligkeit.
Unabhängig von den verschiedenen Funktionsschemen muss man aber davon ausgehen, dass das, was im Mittelpunkt des Zentrums stehen soll, auch in einem produzierenden Betrieb bzw. in einem entsprechenden Beruf vorhanden ist. Das meiste von dem, was wir im Zentrum machen, ist 1etztlich von handwerklichen Berufen abgeleitet oder übernommen. Es gibt in den Berufen viele Werte, die in dem aufgezeichneten Funktionsschema nicht dargestellt sind.
Welche Werte der Arbeit können in diesem Sinn fürs Zentrum in Frage kommen? Da es für die Besucher des Zentrums keinen Lohn gibt, können alle mit dem Lohn zusammenhängenden Gesichtspunkte ausgeklammert werden. Die ursprüngliche Bestimmung der Arbeit ist es indessen, menschliche Existenz möglich zu machen und zu erhalten. Wenn man erleben darf, dass man das mit seiner Arbeit erreicht, dann bedeutet das eine tiefe menschliche Befriedigung.
Fürs Zentrum spielt das eine große Rolle. Für die Kinder ist es wichtig, dass sie mit ihren Händen Dinge schaffen können, die für die menschliche Existenz nützlich und notwendig sind. Hierzu nur einige Stichworte: Feuer machen, bewohnbare Hütten bauen, brauchbare Gefäße herstellen, Gemüse anpflanzen und daraus Mahlzeiten bereiten. Für die Erwachsenen ist es in der arbeitsteiligen Produktion nicht immer gegeben, dass sie die existenz-erhaltende Wirkung ihrer Arbeit erleben und die entsprechende Befriedigung erfahren. Hier kann die Arbeit im Zentrum eine Brücke sein. Wenn man von Zeit zu Zeit etwas Ganzes herstellt, von der Planung bis zur Verwirklichung, dann fällt es einem leichter Detailarbeit als Bestandteil eines Ganzen zu begreifen.
Ein weiterer bedeutender Aspekt der Arbeit ist fürs Zentrum die Formung der Menschen durch die Arbeit und durch den Beruf. Diese Wirkung der Arbeit ist weitgehend unabhängig davon, wie die Produkte, die man herstellt, verwendet werden. Diese Wirkung der Arbeit ist von Beruf zu Beruf verschieden. Im Hinblick auf das Fließband und auf die reine Überwachungsarbeit bei automatisierten Maschinen ist hierüber viel nachgedacht und geschrieben worden. Was ich bisher gelesen und gehört habe, ist mir allerdings recht einseitig vorgekommen. In der betrieblichen Praxis hat man mitunter Gelegenheit, unmittelbar zu erleben, wie sich eine bestimmte Arbeit auf die Entwicklung eines Menschen auswirkt. Zusammenfassend möchte ich festhalten, dass die menschliche Befriedigung durch die Arbeit mindestens zwei ganz verschiedene Quellen haben kann:
1. Man hat etwas Wertvolles geleistet.
2. Man hat durch die Ausübung seines Berufes eine persönliche Weiterentwicklung erfahren.
Im Hinblick auf unser Signet meine ich, dass diese beiden Gesichtspunkte im Mittelpunkt des Zentrums stehen sollten. In diesem Sinn kann man die Arbeit im Zentrum als eine Ergänzung für die alltägliche Arbeit betrachten. Dies gilt natürlich nicht nur für produzierende Berufe, sondern für jede Berufsarbeit, so auch für soziale Berufe und nicht zuletzt für den Hausfrauenberuf. Die öffentliche Diskussion, die hierüber mit großer Heftigkeit geführt wird, deutet darauf hin, dass die Notwendigkeit einer Ergänzung hier von besonderer Bedeutung ist.
Im Hinblick auf die 40-Stunden-Woche erscheint es möglich, dass man in Zukunft zwei Arbeitsplätze hat; einen, der in erster Linie dem Lebensunterhalt bzw. einer sozialen Zielsetzung dient und einen zweiten, der den oben genannten Zielsetzungen des Zentrums entspricht. Ich glaube, dass in dieser Richtung eine Weiterentwicklung der Arbeit im Sinne einer kulturellen Vertiefung möglich ist. Ich denke dabei, insbesondere an gewisse Ergebnisse, die man in Japan
mit handwerklichen Techniken erreicht. hat. Damit geht die Bedeutung des Zentrums jedoch über das hinaus, was man als Ergänzung des Bestehenden bezeichnen kann. Für die Bestrebungen, die Arbeit zu humanisieren, ergeben sich hieraus meines Erachtens ebenfalls neue Ansatzpunkte und Möglichkeiten.
Ich habe versucht, den Standort des Zentrums für Spielen. und. Gestalten innerhalb unseres sozialen und kulturellen Raumes zu bestimmen. Mit den Begriffen "Spielen" und "Gestalten" haben wir zwei Eckwerte angesprochen, zwischen denen sich ein breites Spektrum von menschlicher Betätigungsmöglichkeit. befindet. Was der Einzelne, der ins Zentrum kommt, an Bedürfnissen und Vorhaben mitbringt und was er hier realisieren kann, dürfte in etwa zwischen den beiden Begriffen "Spielen" und "Gestalten" liegen. Man kann sich vorstellen, dass es dabei ebenso viele Varianten gibt, wie es Individuen gibt.
Das handwerkliche und das künstlerische Arbeiten bieten hier besondere Chancen, weil das Ergebnis der Arbeit für einen selbst und für den anderen direkt sichtbar und erlebbar ist. Es geht hier immer um etwas Ganzes und etwas Konkretes, das erst befriedigt, wenn die persönlichen Absichten mit der Zweckmäßigkeit mit einer materialgerechten Gestaltung und mit den technischen Möglichkeiten in Einklang stehen. Das Unterwegssein zu diesem Ziel ist das Entscheidende. Wir wollen dabei Hilfestellung geben. Es kann aber nicht unsere Absicht sein, menschlich notwendige Misserfolge zu verhindern.
Entscheidend bei diesem Arbeiten ist nicht, wie großartig oder wie bescheiden die Produkte zum. Schluss herauskommen. Entscheidend sind die Erlebnisse, die der einzelne Besucher bei der Planung seiner Absichten mit dem Material und bei der Herstellung hat. Es bedeutet eine wichtige Bereicherung des Lebens, wenn man es gelernt hat, die Begabung anderer Menschen zu schätzen. Das Zentrum bietet hier manche Gelegenheiten.
Die Jugendarbeit ist in verschiedener Hinsicht von Bedeutung. Der Übergang von der Schule in den Beruf ist für viele Juqend1iche heute ein Problem. Die Erfahrungen im Zentrum können da eine große Hilfe sein. Für viele Kinder ist die Mitarbeit im Zentrum eine wichtige Ergänzung zur Schule, weil hier andere Begabungen und Anliegen eine Förderung erfahren können. Wichtig erscheint mir auch, dass es im Zentrum keinen Wettbewerb im Sinne der Schule und der Wirtschaft gibt, die Leistung wird hier nur mit dem Maßstab des eigenen Vorhabens gemessen.
Die heutige feierliche Eröffnung des Zentrums für Spielen und Gestalten ist ein Ereignis, auf das wir seit vielen Jahren zusteuern. Die Dieter-Kaltenbach-Stiftung wurde 1965 gegründet, mit dem Zweck die Persönlichkeitsbildung zu fördern. Eine enge Verbindung zur Maschinenfabrik Kaltenbach war von Anfang an beabsichtigt. Wir sind glücklich, dass wir eine Zielsetzung gefunden haben, die unseren Erfahrungen und Erkenntnissen entspricht.
Referat über das Zentrum für Spielen und Gestalten 19.05.1979
Jahrestreffen Bund der Jugendfarmen
Ich freue mich, dass Sie mir Gelegenheit gegeben haben, Ihnen die Konzeption des Zentrums für Spielen und Gestalten darzustellen. Ich bin mir indessen darüber im Klaren, dass es recht riskant ist, als Nichtfachmann über Erziehung bzw. über eine pädagogische Konzeption zu sprechen. Ich glaube deshalb, dass es am besten ist, wenn ich mit einer ganz persönlichen Vorstellung beginne und Ihnen darlege, welche persönlichen Erfahrungen der Konzeption des Zentrums für Spielen und Gestalten zugrunde liegen.
Ich bin Geschäftsführer einer Maschinenfabrik, die weitgehend automatisierte Sägemaschinen zum Schneiden von Stahl und Metallen herstellt. Das Entwerfen, Entwickeln und Konstruieren derartiger Maschinen ist ein wesentlicher Teil meiner Arbeit. Durch meinen Beruf habe ich somit sehr viel mit technischen Problemen zu tun, aber auch mit der Gestaltung bzw. mit der gestalterischen Zusammenfassung sehr unterschiedlicher Dinge. Die Lehrlingsausbildung wird in unserer Firma sehr intensiv betrieben; hieraus haben sich exakte und durchaus nicht alltägliche Erkenntnisse ergeben. Viele meiner Erfahrungen meines Berufes, insbesondere was die gestalterischen Fähigkeiten anbelangt aber natürlich auch organisatorische und Management-Überlegungen sind in dieses Konzept eingegangen.
Dass ich dieses Unternehmen als Berufsfremder überhaupt in Angriff genommen habe, dafür sind wohl vielfältige Kindheitserlebnisse letzten Endes ausschlaggebend gewesen. Aus meiner Schulzeit erinnere ich mich, dass ich immer wieder das Gefühl hatte, dass ich durch Lernen innerlich überwältigt werde. Von einem gewissen Alter ab, ist es mir jedoch dann manchmal gelungen zu gewissen Wissenschaften ein inneres persönliches Verhältnis zu bekommen. Es drehte sich dabei für mich immer um die Frage, welchen Sinn hat es, dass ich mir dieses Wissen mühevoll aneigne und mich dabei einer fremden Gesetzmäßigkeit irgendwie unterordne. Um mir die Dinge anschaulich erlebbar vertraut zu machen, habe ich dabei zum Teil ganz eigene Wege beschritten. Ich hatte dabei als Kind das Glück, dass derartige Bestrebungen von Lehrern und Verwandten geduldet und manchmal sogar direkt gefördert worden sind. Dabei ist es mir zunächst gelungen, einiges von der Geometrie und von der Physik recht zu erfassen. Außerhalb der Schule war mir das Verständnis der Natur, insbesondere der mich umgebenden Landschaft mit ihren Pflanzen und Tieren etwas, wo ich immer wieder um ein Verständnis gerungen habe. Das Malen und Zeichnen haben mir die Möglichkeit gegeben, hier zu einer Zwiesprache und zu einer Objektivierung zu gelangen. Für meine kindliche Entwicklung war die Mitarbeit im 1andwirtschaftlichen Unternehmen meines Onkels während der Sommerferien ein sehr wichtiges Ereignis, das mir stets eine gewisse Selbstsicherheit gegeben hat. Die Gewissheit, dass man über die einfachsten lebenserhaltenden Techniken verfügt, hat meine Souveränität in verschiedenen Lebenssituationen durchaus gestärkt.
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Während meiner Kindheit hatte ich stets die Möglichkeit, im Garten und in unserer Werkstatt verschiedenste Vorhaben in Angriff zu nehmen. Die damaligen Erlebnisse mit Material und Werkzeug, mit den Schwierigkeiten einer Planung und den Schwierigkeiten einer Verwirklichung und mit dem großen Unterschied, der immer zwischen den beiden besteht, sind mir bis heute eine Hilfe bei meinem konstruktiven Arbeiten.
Ich bin mir indessen sicher, dass alle Anwesenden in ihrer Kindheit ähnliche Erlebnisse hatten. Ich halte die meinigen deshalb nicht für irgendwie außerordentlich. Der Grund, warum ich diese Dinge so ausführlich vortrage ist der, dass ich meine, wenn man etwas für Kinder tun will, dann
sollte man den Kontakt mit diesen eigenen Erlebnissen der Kindheit möglichst wachhalten. Mit den sich hieraus ergebenden Erkenntnissen kann man wahrscheinl
Praxis wesentlich mehr ausrichten, als mit dem Wissen, das man sich durch Lesen aneignet. Ich meine, man sollte auch auf der Hut sein, dass man diese Erlebnisse durch das Lesen von Erziehungsbüchern nicht allzu sehr uminterpretiert.
Bei der Konzeption des Zentrums für Spielen und Gestalten bestand die Absicht, soweit wie möglich, auf solchen Erlebnissen und Beobachtungen aufzubauen und dabei zusätzlich die heutige Situation der Jugend in Betracht zu ziehen. Die Bewältigung der Technik und die Bewältigung der Spannung zwischen Natur und Technik sind wohl die entscheidenden Aufgaben, die der heranwachsenden Generation gestellt werden.
Im Hinblick auf die Bedeutung von Erlebnissen in der Jugendzeit für das ganze Leben möchte ich einmal drei Behauptungen formulieren:
1. Es gibt eine gewisse Qualität beim Wissen und Können, die man nur durch intensive Erlebnisse und nicht durch übliches Lernen erreichen kann. In der Praxis des Lebens ist diese Qualität oftmals von entscheidender Bedeutung.
2. Solche Erlebnisse sind in vieler Beziehung nur möglich, wenn einem Kind entsprechende Übungsfelder und Anregungen zur Verfügung gestellt werden
3. Durch die fortschreitende Technisierung des Lebens sind den Jugendlichen nicht nur berufliche Übungsfelder weggenommen worden. Was viel gravierender ist, ist das Wegfallen von Übungsfelder für das Leben. Das wichtigste Übungsfeld war in der Vergangenheit wohl die Mitarbeit der Kinder in Haus, Garten und in verschiedenen Berufen, nicht zuletzt in der Landwirtschaft. Diese Mitarbeit hat auch zu den so notwendigen Kontakten mit den Erwachsenen geführt. Während die Bedürfnisse der Jugend für Spielen im Allgemeinen im Brauchtum weitgehend berücksichtigt wurden.
Wenn man die Pädagogik der Zeit bis zum zweiten Weltkrieg betrachtet, dann kann man zu der Überzeugung kommen, dass da ein in vielen Details ausgearbeitetes pädagogisches Gebäude neben der Schule bestanden hat und das heute mehr und mehr am Zusammenbrechen ist. Man muss sich klar sein, dass es gar nicht möglich ist, dass die Schule alle diese Funktionen übernimmt. In früheren Zeiten hat die Schule ihren Auftrag weitgehend nur als eine Ergänzung zu den anderen pädagogischen Übungsfeldern gesehen. Ich glaube, dass es von großer Bedeutung ist welche Vorstellungen sich in den nächsten Jahren bezüglich des Ortes, an dem Erziehung stattfindet, durchsetzen werden.
Ich vertrete die Auffassung, dass es entscheidend wichtig ist, wie man die Situation der heutigen Jugend beurteilt. Es gibt viele Dinge, die man im Detail verbessern kann. Aber über diesen Details-Probleme sollte man nicht vergessen, dass es letztlich vor allem darauf ankommt, geeignete Übungsfelder fürs Leben zu organisieren. Dass es dabei um die Bewältigung der Spannung zwischen Natur und Technik geht, darüber dürfte kein Zweifel bestehen.
Im Zentrum für Spielen und Gestalten haben wir uns die Erhaltung der Handwerke zur Aufgabe gemacht. Der Begriff des Handwerkes ist hier natürlich sehr weit gefasst. Wir sehen hierin eine große Chance im Sinne eines Übungsfeldes fürs Leben.
Da im Zentrum Kinder, Jugendliche und Erwachsene bis ins Rentenalter mitwirken, ist hier auch eine intensive Begegnung von Jung und Alt möglich. Für den Erfolg dieser Institution ist es jedoch entscheidend, dass zunächst die Erwachsenen dieses handwerkliche Tun so ernst nehmen, wie früher das Arbeiten und Lehren in Haus, Hof und Werkstatt.
Zielsetzung von Aktivspielplätzen, Jugendfarmen und Freizeitwerkstätten November 1982
Ich möchte heute Abend die Frage nach einer generellen Zielsetzung für Aktivspielplätze, Jugendfarmen und Freizeitwerkstätten aufwerfen und Ihnen dazu einige Gedanken und Erfahrungen mitteilen.
Der Anlass, sich mit dieser Frage intensiver zu beschäftigen, ist meines Erachtens dadurch gegeben, dass die Erfolge der erwähnten Institutionen den Erwartungen nicht mehr immer entsprechen, und dass mitunter auch ein starker Rückgang der Besucherzahlen festgestellt werden muss.
Man kann wohl davon ausgehen, dass die Zielsetzungen von Platz zu Platz sehr unterschiedlich sind. Diese Institutionen sind ja alle noch jung und die Gedanken, von denen man ursprünglich bei der Gründung ausgegangen ist, dürften an den meisten Orten noch bekannt bzw. lebendig sein. Ich habe den Eindruck, mit dem Nachlassen der Impulse, die von den Gründern ausgegangen sind, durch personellen Wechsel, sowie durch die Sättigung bestimmter Bedürfnisse, werden die Mitarbeiter und die Träger derartiger Institutionen mehr und mehr mit Realitäten konfrontiert, die eine präzisere Antwort auf die Frage nach der Zielsetzung erfordern. Es ist denkbar, dass man in dieser Phase mehr Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Plätzen entdeckt, als dies in der Gründungsphase der Fall war.
Das veranlasst mich zu versuchen, eine Zielsetzung zu formulieren, die auf Freizeitanlagen der verschiedensten Konzeptionen anwendbar ist. Ich glaube, dass ich meine Gedankengänge am besten verständlich machen kann, wenn ich sie anhand der Entstehungsgeschichte und der Entwicklung unseres Zentrums für Spielen und Gestalten in Lörrach erläutere.
Ich hatte das Glück als Kind und als Jugendlicher in einer Familie und darüber hinaus in einem Kreis von Menschen heranzuwachsen, die mich zu eigenständigen Erfahrungen und Gedanken angeregt haben. Abgesehen von der direkten Wirkung dieser Persönlichkeiten haben dabei auch äußere Gegebenheiten eine Rolle gespielt, die ich nun kurz aufzählen und schildern möchte:
Wir hatten einen großen Garten, in dem ich mit einem Freund Hütten bauen und Tiere halten durfte, wo Gemüse und Blumen gezogen und ich zu entsprechender Mitarbeit angehalten wurde. In unserem Keller war eine Werkstatt mit Hobelbank und Werkzeugen; für die Beschaffung des Baumaterials gab es verschiedene Möglichkeiten, mitunter hat auch der Vater Geld gegeben. Auf dem Kleinbauernhof meines Patenonkels habe ich über Jahre in den Ferien mitgearbeitet und so manches gelernt, wie Mähen, Pflügen, Melken, Heuwagen beladen usw. In der Walldorfschule in Basel habe ich regelmäßigen und guten Unterricht in Malen, Schnitzen und Handarbeiten gehabt. Durch einen ausgezeichneten naturwissenschaftlichen Experimental-Unterricht (am Hans-Thoma-Gymnasium, Anmerkung des Herausgebers) habe ich ein eigenständiges Verhältnis zu gewissen Bereichen der Mathematik und der Naturwissenschaft bekommen. Vielfältige Anregungen zur Naturbetrachtung und Naturbeobachtung haben mein Interesse für diese Bereiche von früher Kindheit an geweckt.
Mit der Gründung des Spiel- und Werkplatzes vor etwa neun Jahren habe ich dann versucht einige von diesen für mich so wertvollen Möglichkeiten des Erlebens und des Lernens einem größeren Kreis von Jugendlichen zu eröffnen. Für die Gründung der Werkstätten war ein wichtiger Gesichtspunkt die Tatsache, dass die im dörflichen und kleinstädtischen Rahmen arbeitenden Kleinhandwerker und Kleinbauern fast ausgestorben sind. Damit ist für die Jugend ein wichtiges pädagogisches Lernfeld weggefallen. Die Absicht, hierfür einen Ersatz zu
schaffen, ist sicher auch an anderen Orten der Ausgangspunkt für die Gründung von Aktivspielplätzen und Jugendfarmen gewesen.
Der erste Bauabschnitt bzw. die erste Ausbaustufe des Zentrums für Spielen und Gestalten war der Spiel- und Werkplatz für Jugendliche von 6 bis 14 Jahren. Bei der Organisation dieser Anlage sind wir weitgehend von den Erfahrungen der Basler Robinson-Spielp1ätze ausgegangen. Die erfolgreichsten Aktivitäten waren hier über Jahre hinweg das Malen, Tonen, der Hüttenbau, das Feuermachen sowie die auf die Jahreszeiten bezogenen Aktivitäten, wie Adventskränze binden, Drachen bauen, Fastnachtsmasken und Fastnachtskostüme anfertigen usw.
Nach zwei bis drei Jahren mussten wir jedoch feststellen, dass das Interesse für das Standardprogramm Malen, Tonen, Hüttenbau, merklich zurück ging und damit auch der tägliche Besuch des P1atzes durch Jugendliche. Eine Anzahl von Dauergästen war immer auf dem P1atz aber die anregende Atmosphäre, die anfangs vorherrschte und die Begeisterung, immer wieder neue Dinge zu probieren und in Angriff zu nehmen, war dann in dem erwünschten Umfang doch nicht mehr vorhanden. Aufgrund dieser Situation haben wir uns dann entschlossen, die Anlage durch Freizeitwerkstätten für Töpferei, Metallbearbeitung, Holzbearbeitung, textiles Werken, Malen, Druck, Graphik, usw. zu erweitern, sodass auf dem P1atz qualifiziertes handwerkliches und künstlerisches Arbeiten möglich waren. Es war uns indessen von vornherein klar, dass dieses Programm nur unter Einbeziehung von Erwachsenen vertretbar und durchführbar war. Diese Gesamtanlage haben wir dann "Zentrum für Spielen und Gestalten" genannt, mit den beiden Abteilungen Spiel- und Werkplatz für Jugendliche und Freizeitwerkstätten für Jugendliche und Erwachsene.
Eine Zeit lang wurde auch im Kreis unserer Mitarbeiter die Meinung vertreten, dass durch die Anwesenheit der Erwachsenen auf dem Platz die Chance für die Jugendarbeit gemindert würde, weil der Platz nun nicht mehr den Jugendlichen allein gehört. Im Hintergrund dieser Meinung stand wohl die Befürchtung, dass die Kinder hier nach einiger Zeit genauso verdrängt würden, wie sie einst von der Straße verdrängt worden sind, wo sie doch ein klares Mitbenutzungsrecht hatten für ihre Roller, Holländer Tanzknöpfe, usw.
An diesem Punkt der internen Diskussion habe ich dann versucht, mich an die Erfahrungen meiner Kindheit und Jugendzeit zu erinnern. Ich bin dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Anwesenheit von Erwachsenen im Grunde nur nützlich sein kann, vorausgesetzt, dass sich diese nicht in falscher Weise einmischen und die kindlichen Anliegen verfälschen. Es hat sich später dann auch gezeigt, dass hier keine Gefahr besteht, solange die Erwachsenen mit eigenen Aufgaben beschäftigt sind. Im Blick auf die Zielsetzung erscheint mir dieses Ergebnis von besonderem Wert.
Wenn man die heutigen Verhältnisse in den Schulen und in den Berufen betrachtet, dann fällt es nicht schwer für Aktivspielplätze, Freizeitwerkstätten und Jugendfarmen eine große Chance zu sehen. Um mit diesen Institutionen auf die Dauer entsprechende Erfolge zu haben, erscheint es mir jedoch notwendig, dass man eine umfassende allgemeine Zielsetzung erarbeitet.
Ich habe mir deshalb überlegt, welche Bedeutung die Tätigkeiten, die heute in diesen Freizeit-institutionen geübt werden, für mich in meiner Kindheit und Jugend hatten. Ich bin dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass ich aus diesen Erfahrungen jeweils eine richtungsweisende Orientierung abgeleitet habe. In verschiedener Hinsicht habe ich eine innere Notwendigkeit für derartige Orientierung empfunden. Dies galt insbesondere im Hinblick auf die Technik und auf die doch schon sehr technisierten Lebensverhältnisse. Inzwischen sind einige Jahrzehnte vergangen und ich glaube, dass man es heute geradezu mit Händen greifen kann, wie die
Orientierung in den verschiedensten Bereichen des Lebens schwieriger geworden ist und wie sich Orientierungslosigkeit und Verwirrung ausbreiten.
Die Vermittlung von Wissen und Information ist in den dazwischen liegenden Jahrzehnten mengenmäßig und qualitativ sehr stark ausgebaut worden. Offensichtlich ist es aber auf dem eingeschlagenen Weg nicht möglich, dass Jugendliche und erwachsene Menschen eine verlässliche Orientierung gewinnen, die sich in der Lebenspraxis bewähren kann. Dazu ist es offensichtlich notwendig, dass man sich mit den einzelnen Dingen wesentlich ernsthafter und verbindlicher einlässt, wie dies bei der üblichen Übernahme von Wissen und Informationen der
Fall ist. Ein solches intensives Sicheinlassen findet aber nicht natürlicherweise statt. Dazu braucht es auch mehr als nur eine günstige Gelegenheit. Nach meiner Erfahrung braucht es ein gezieltes Hinweisen und Vorbreiten, wie es z. B. beim handwerklichen Arbeiten der Fall ist.
Ich möchte an einem besonderen Beispiel nun einma1 erläutern, wie es um die allgemeine Orientierung junger Menschen heute vielfach steht. Über vie1e Jahre habe ich die Schlosserlehrlinge unserer Firma eingestellt. Um einen Überblick über die Eignung und Begabung der Bewerber zu bekommen, habe ich mir einige Fragen ausgedacht. Eine dieser Fragen war: Wo geht die Sonne auf, wo geht sie unter, wo steht sie mittags. Über Jahre hinweg musste ich erleben, dass unter den Bewerbern nur wenige waren, die eine Vorstellung davon hatten, welche Bahn die Sonne täglich am Himme1 zieht. Es ist schon eine bemerkenswerte Tatsache, dass etwa 70% der Jugendlichen diesen doch so wichtigen Vorgang, der sich täglich vor ihren Augen abspielt, geistig nicht erfassen.
Die Antwort, die ich auf meine doch recht konkrete Frage bekommen habe, war oft die, dass die Sonne gar nicht aufgeht, sondern dass sie stillsteht, und dass sich die Erde dreht, dass es nur so aussieht, als würde die Sonne aufgehen. Wenn ich diese Aussage dann hinterfragt habe, stellte sich heraus, dass der Begriff der vier Himmelsrichtungen nicht vorhanden war. Die wissenschaftlich richtige Information, die man den Buben fürs Leben mitgegeben hatte, war für die konkrete Orientierung im Leben zwischen Erde und Himmel, Sommer und Winter, Tag und Nacht, praktisch wertlos.
Als Antwort auf diese Situation versuchen wir, wie Sie gesehen haben, die Himmelsbeobachtung in unser Programm aufzunehmen und entsprechende einfache Beobachtungsgeräte bereitzustellen. Wenn man die Orientierung auf den wichtigsten Feldern des Lebens als Ziel der Aktivspielplätze, Jugendfarmen und Freizeitwerkstätten ins Auge fasst, dann kann man daraus einige Konsequenzen ableiten. Die nachfolgende Aufzählung erhebt keinerlei Anspruch bezüglich einer konsequenten Systematik. Es geht mir dabei lediglich darum, einige Schwerpunkte darzustellen.
1. Freizeitanlagen müssen sich selbstverständlich immer wieder dem sich wandelnden Bedarf und gegebenenfalls auch gewissen Modeströmungen anpassen. Dies sollte jedoch nicht wie auf dem Markt, nur nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage erfolgen. Die aufgezeigte Zielsetzung gibt uns die Möglichkeit, die einzelnen Aktivitäten auf eine ganz wichtige übergeordnete Notwendigkeit auszurichten.
2. Die soziale Komponente unserer Zielsetzung besteht nicht darin, dass wir sozial benachteiligten Randgruppen oder Individuen helfen. Unser Angebot richtet sich in erster Linie an Menschen, die in normalen gut geordneten Verhältnissen leben.
3. Eine Hilfe zur Orientierung stellt immer eine bewusste Beeinflussung dar. Eine kulturelle Kontinuität ist aber offensichtlich ohne eine solche Beeinflussung auf die Dauer gar nicht möglich. Das bedeutet auf der anderen Seite für die Leiter solcher Freizeitinstitutionen,
dass sie sich alle nur erdenkliche Mühe geben müssen, ideologische Fixierungen soweit wie möglich zu vermeiden. Dies gilt meines Erachtens insbesondere für das Verhältnis zur Wissenschaft und Technik. An dem von mir geschilderten Beispie1 Himmelsbeobachtung kann man ersehen, wie an sich fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse über die Himme1skörper geradezu als geistige Barriere wirken können, wenn der unmittelbare Kontakt mit dem, über das man ein Wissen übernimmt, fehlt.
4. Die Skepsis gegenüber Wissenschaft und Technik ist heute weit verbreitet und geradezu in Mode. Diese Skepsis ist aber sicher die schlechteste Voraussetzung, um möglicherweise notwendige Kurskorrekturen durchzuführen. Der praktische Umgang mit handwerklichen Techniken und die intensive Naturbeobachtung kann hier zur Orientierung wesentliches beitragen. Der sorgfältige Umgang mit Tieren und Pflanzen kann entsprechend zu einer Orientierung über unser schicksalhaft vorgegebenes Verhältnis zur Welt, aber nicht nur zur Umwelt beitragen. Viele Menschen gehen heute davon aus, dass in unserer durch Massenproduktion und Massenkonsum gekennzeichneten Welt es praktisch keine Möglichkeit der Gestaltung und Umgestaltung mehr gibt. Für den Lebensweg junger Menschen bedeutet das Resignation und in gewissen Fällen natürlich auch Zerstörung.
5. Bisher hat man in Freizeitanlagen vielfach die psychologische Wirkung der Aktivitäten im Vordergrund gesehen. Die aufgezeigte Zielsetzung hat dagegen mehr den Charakter einer konkreten Aufgabe.
Wenn man eine überzeugende Orientierung in unserer so kompliziert gewordenen Welt in der angesprochenen Weise als unbedingt notwendig ansieht, dann erhalten Freizeit und Freizeitanlagen eine andere Bedeutung als bisher üblicherweise angenommen worden ist.
Konzeption März 1986
Die Frage nach dem Bedarf für derartige Freizeitanlagen möchte ich an den Anfang meiner Betrachtung stellen. Wenn man bedenkt, in welchem Umfang für die meisten Bewohner unseres Landes die Freizeit in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat und mit was da in den nächsten Jahren zu rechnen ist, fällt eine positive Antwort nicht schwer. Je nachdem, wie dieser Bedarf gedeckt wird, können sich daraus auch neue Arbeitsplätze in unterschiedlicher Zahl und Qualität ergeben; das wird auch davon abhängen, in welchem Verhältnis diese Arbeit von nebenberuflichen oder von hauptberuflichen Kräften durchgeführt wird. Anhand gemachter Erfahrungen neigt man dazu, hier in erster Linie ein Kostenproblem zu sehen. Im Blick auf das Volumen an verfügbarer Freizeit und auf die neuen Chancen, wie auch auf die neuen Gefahren, die dies mit sich bringt, muss man inhaltlichen Gesichtspunkten möglicherweise den Vorrang geben.
Das praktische Testen der Chancen, die die vermehrte Freizeit bietet, steht im Mittelpunkt der Zielsetzung des Zentrums für Spielen und Gestalten. So haben wir vor 12 Jahren mit einem Spiel- und Werkp1atz für Jugendliche von 6 bis 14 Jahren begonnen. Bei der Organisation dieser Anlage sind wir weitgehend von den Erfahrungen der Basler "Robinson-Spielplätze" ausgegangen. Die erfolgreichsten Aktivitäten waren hier über Jahre Malen, Tonen, der Hüttenbau, das Feuermachen sowie die auf die Jahreszeiten bezogenen Aktivitäten, wie Adventskränze winden, Drachen bauen, Fastnachtsmasken und Fastnachtskostüme anfertigen.
Nach zwei bis drei Jahren mussten wir jedoch feststellen, dass das spontane Interesse für das Standardprogramm Malen, Tonen, Hüttenbau merklich zurückging und damit auch der tägliche Besuch des Platzes durch Jugendliche. Eine Anzahl von Dauergästen war immer auf dem Platz aber die anregende Atmosphäre, die anfangs herrschte und die Begeisterung immer wieder neue Dinge zu probieren und in Angriff zu nehmen, war dann in dem gewünschten Umfang nicht mehr vorhanden. Wir haben das zum Anlass genommen, unsere Möglichkeiten neu zu überdenken, die Ziele klarer zu fassen. Vor sechs Jahren wurde die Anlage dann zur heutigen Form als Zentrum für Spielen und Gestalten für Jugendliche und Erwachsene erweitert, mit fachgerecht ausgestatteten Werkstätten für Holz- und Metallbearbeitung, für Töpfern, verschiedene textile Techniken, Malen, Grafik und einiges mehr.
Die hier vorliegende Schwerpunktbildung beim Handwerklichen und Künstlerischen beruht auf persönlichen Erfahrungen des Unterzeichnenden, die darauf hinweisen, dass hier besondere Chancen zur Entfaltung kultureller und sozialer Möglichkeiten liegen. Eine gründliche Behandlung der erreichbaren und denkbaren positiven Auswirkungen handwerklichen und künstlerischen Tuns in der Freizeit würde den Rahmen dieses Berichtes bei weitem überschreiten. Wir möchten es deshalb unseren Lesern überlassen, hier die eigenen Lebenserfahrungen zu befragen und gleichzeitig zu bedenken in welchem Umfang für die heranwachsende Generation entsprechende Anregungen, Möglichkeiten und Notwendigkeiten im Vergleich zu früheren Generationen verlorengegangen sind, wenn man nur an das Verschwinden so vieler Handwerke und alltäglicher Verrichtungen denkt.
Derzeit werden etwa 20 verschiedene handwerkliche und künstlerische Kurse im Zentrum für Spielen und Gestalten durchgeführt, wobei wir halbjähr1ich ein Programm herausgeben. Die Wirkung, die von solchen Kursen ausgeht, ist unterschiedlich. Mitunter wird die Aktivität des Leiters durch die Mitwirkung der Teilnehmer gesteigert. In diesem Fall entwickelt sich ein Kurs zur Arbeitsgruppe. Mitunter wird aber auch nur vorgemacht und nachgemacht; im Sinne einer Kreativität entsteht dann nur wenig. Die Förderung des Handwerklichen mit den verschiedenen Betonungen vom Technischen (wir haben derzeit eine Arbeitsgruppe, die astronomische
Teleskope mit von Hand geschliffenem Spiegel 200 mm Durchmesser baut) bis zur rein künstlerischen Gestaltung in den Mal- und Zeichenkursen, deutet auf eine kulturelle Zielsetzung hin, ohne dass diese damit genauer definiert wäre. Aktuelle Probleme können da mitunter helfen, zeitgemäße Zielsetzungen zu erfassen.
Die Bedrohung unseres Lebensraumes, die heute in der Presse vielfach Schlagzeilen macht, ist vor Jahren nur von ganz wenigen Menschen bemerkt worden. Das kann als Hinweis verstanden werden, wie undifferenziert und schwach unser Gefühl und Bewusstsein für unsere Umwelt ist. Das sind möglicherweise Folgen einer langen einseitigen Entwicklung unserer Kultur und damit unseres Empfindens und unseres Denkens. Andere Ku1turkreise haben zum Teil andere Bereiche entwickelt bzw. vernachlässigt. In einer Zeit, in der der wirtschaftliche und der geistige Austausch weltweit immer mehr an Bedeutung gewinnt, erscheint ein Austausch auf solchen Gebieten auch sinnvoll. Ich glaube, dass es weitere bedeutungsvolle Lebensbereiche gibt, die derzeit in bedenklicher Weise vernachlässigt werden.
Die Art und Weise der aktuellen Diskussion um die Umweltbelastung zeigt, wie wenig konkrete Ansatzpunkte zu einer Kultivierung unseres Verhältnisses zu nichtmenschlichen Wesen, wie Pflanze, Tier und Landschaft, mit denen wir doch schicksalhaft verbunden sind, derzeit tatsächlich vorhanden sind. Die Erhaltung und Weiterentwicklung bestimmter kultureller Fähigkeiten sehe ich als einen gangbaren Weg zur Bewältigung vieler Herausforderungen unserer Zeit. Mitunter hat man den Eindruck, dass unsere Welt immer mehr als eine Arena für konträre Ideologien und Interessen erlebt wird. Vorausgesetzt man sieht konkrete Ansatzpunkte und Notwendigkeiten für kulturelle Weiterentwicklung in unserem Land, dann ist das Vorhandensein von Freizeit für deren Verwirklichung von größter Bedeutung.
In der aktuellen Diskussion um die Arbeitszeitverkürzung haben derartige Gesichtspunkte bisher kaum eine Rolle gespielt. Ist es nicht verwunderlich, dass auf derartige Möglichkeiten nicht hingewiesen wird? Möglicherweise haben wir uns mit den Chancen, die die vermehrte Freizeit bietet, bisher zu wenig befasst. Wer sollte sich dazu berufen oder gar verpflichtet fühlen, die Fragen zu stellen und zu bearbeiten, die sich durch die vermehrte Freizeit ergeben?
Bei der Gründung des Zentrums für Spielen und Gestalten bin ich davon ausgegangen, dass hier Aufgaben bestehen, die neben Intensität und Lebenserfahrung auch Zeit und Reife brauchen und an die Kreativität höchste Anforderungen stellen. Nicht selten müssen wir erleben, dass der Spielraum für die Entfaltung persönlicher Initiative in gewissen Bereichen enger wird, möglicherweise eröffnen sich dafür im Bereich der Freizeit ergänzende, vielleicht auch ganz neue Räume.
Die eingangs erwähnten Möglichkeiten durch Freizeitanlagen Arbeitsplätze zu schaffen, halte ich für einen wichtigen Gesichtspunkt. Ich sehe es auch als Aufgabe den Teilnehmern unserer Kurse und Arbeitsgruppen nahezubringen, dass die von uns gebotenen Dienstleistungen eine Bezahlung wert sind. Ich meine die Finanzierung der genannten Arbeitsplätze sollte zu einem Teil durch Beiträge der Teilnehmer und zu einem weiteren Teil durch Spenden erfolgen. Für den Erfolg einer Freizeitanlage mit weitergehender Zielsetzung ist die spezifische Ausbildung der Fachkräfte von ausschlaggebender Bedeutung. Unabhängig von der Ausbildung entsprechender Fachkräfte ist eine erfolgreiche Entwicklung derartiger Freizeitanlagen unseres Erachtens nur denkbar, wenn Menschen mit vielseitiger Berufs- und Lebenserfahrung dort mitarbeiten und Anregungen beisteuern.
Bei der Konzeption des Zentrums für Spielen und Gestalten sind wir davon ausgegangen, dass die Vielfalt der angebotenen Handwerke, Künste und Wissenschaften sowie die Anwesenheit von Menschen aller Altersstufen zwischen 6 und 80 Jahren eine anregende Wirkung ausüben.
Einweihung Nordbau 28.06.1986
Im Zusammenhang mit der Frage nach der endgültigen Form und Größe des Zentrums habe ich mir Gedanken gemacht über die Bedeutung der Freizeit in der heutigen Situation und in der näheren und weiteren Zukunft.
In unserem Land verfügen die Menschen heute über ein Maß an frei verfügbarer Zeit und an Möglichkeiten diese Zeit zu verwenden, die es in der Menschheitsgeschichte bisher noch nicht gegeben hat. Im Hinblick auf das bereits bestehende große Angebot an Möglichkeiten diese Zeit zu füllen, kann man sich fragen, ob es sinnvoll ist dieses Angebot noch zu erweitern. Je attraktiver das Angebot ist, je größer wird die Versuchung, dass man sich verplant und nicht mehr zu sich selber kommt.
Für das Zentrum für Spielen und Gestalten ist es deshalb von großer Bedeutung, dass sein Angebot der Situation, in der sich unsere Besucher und unsere Gesellschaft befinden, entspricht.
Vielen Menschen, die sich bewusst um die Gestaltung ihrer Freizeit bemühen, geht es indessen heute weniger darum, möglichst viele Dinge von möglichst hoher Qualität zu erleben als vielmehr um einen Ausgleich, um eine Ergänzung zu dem, was ihnen in der übrigen Zeit obliegt und möglich ist, in der Schule, im Beruf und zu Hause. Dieses Bedürfnis nach Ausgleich und Ergänzung steht im Mittelpunkt unserer Bemühungen und unseres Angebotes.
Während der Begriff ,,Ausgleich" sich auf ein Gleichgewicht bezieht, das man in mannigfacher Weise suchen kann, deutet das Wort ,,Ergänzung" auf ein Ganzes hin, das irgendwie vorgegeben ist. Ich bin mir der Gefahren, die allgemein mit der Definition einer Ganzheit verbunden sind, bewusst und bitte Sie deshalb, die folgenden Betrachtungen auf die konkrete Frage der Freizeitgestaltung zu beziehen und nicht als Ausdruck einer Ideologie zu beurteilen. Wie sich der Begriff einer Ganzheit entwickelt und welche Konsequenzen das hat, möchte ich zunächst an einem anderen Beispiel erläutern.
Durch die weltweit stattfindende Forschung und den wirtschaftlichen Wettbewerb wird die Ganzheit der Erde zu einer Realität, die den einzelnen Menschen heute in viel stärkerem Maß betrifft, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. In dem Maß sich jemand der Ganzheit der Erde bewusst wird, ändert sich sein Interesse, die Welt kennenzulernen und damit auch Sinn und Zweck von Auslandsreisen.
Ich möchte nun versuchen, ein entsprechendes Bild von Ganzheit im Sinn einer Orientierungshilfe für die Arbeit im Zentrum für Spielen und Gestalten zu entwickeln. Eine bedeutungsvolle ganzheitliche Formulierung menschlicher Möglichkeiten ist in der biblischen Überlieferung des Alten Testaments enthalten, in den Geboten zur Arbeit und zur Ruhe. Die dem folgenden zugrundeliegende Interpretation der Bibel entnehme ich sinngemäß einem Vortrag des Basler Theologen Professor Dr. Lochman ,,Von der Arbeit zur Ruhe". Unter Arbeit ist nach Professor Lochman in der Bibel die Inbesitznahme und die Veränderung der Welt durch den Menschen entsprechend seiner Bedürfnisse zu verstehen. Ruhe bedeutet danach in der Bibel nicht Erholung nach einer Anstrengung, sondern eine der Arbeit gegenüberstehende Möglichkeit menschlicher Aktivität und menschlicher Haltung. Wenn man vom religiösen Gehalt des Sabbat-Gebotes absieht, dann bedeutet Ruhe hier eine Art und Weise der Hinwendung an die Welt, die dem Streben nach Besitz und Einbindung in die eigenen Zwecke geradezu entgegengesetzt ist. Für den gläubigen Menschen gipfelt die so verstandene Ruhe in der Verehrung dessen, der die Welt geschaffen hat.
Die heute bei uns vorhandenen Vorstellungen von Arbeit lassen sich im Wesentlichen auf das Alte Testament zurückführen. Die im Alten Testament gebotene Trennung von Arbeit und Ruhe und die gleichzeitige Formulierung der Ganzheit bestehend aus den beiden Elementen, möchte ich zum Ausgangspunkt für einige auf die Freizeit bezogene Überlegungen nehmen. Der Name ,,Zentrum für Spielen und Gestalten" kann in diesem Sinn auch als Hinweis auf eine Ganzheit verstanden werden, die aus den Elementen Spielen und Gestalten besteht. Eine Zusammenfassung der Elemente Ruhe und Arbeit ist meines Erachtens auch in dem Begriff der ,,Kreativität" gegeben. Meines Wissens ist die Entstehung von bedeutenden Erfindungen und Kunstwerken nur möglich, wo die beiden menschlichen Möglichkeiten Ruhe und Arbeit zur Geltung kommen.
Aus den dargelegten Gedanken will ich nun für unser Zentrum einige Schlussfolgerungen ziehen und in der Form einzelner Programmpunkte formulieren.
Erstens:
Das Zentrum für Spielen und Gestalten sieht es als seine Aufgabe, für einzelne Menschen und für die Gesellschaft als Ganzes in der Weise einen Beitrag zu leisten, dass sie Gelegenheiten zum Ausgleich und zur Ergänzung in der Freizeit organisiert.
Zweitens:
Die Art und Weise, wie wir die Freizeit nutzen, ist neben der Entwicklung von Wissenschaft und Technik für die Zukunft unseres Landes möglicher weise von entscheidender Bedeutung.
Drittens:
Ich stelle mir vor, dass so etwas wie eine Freizeitkultur mit eigenständigen Maßstäben möglich ist, die neben der allgemeinen Kultur, deren Maßstäbe von beruflich tätigen Menschen gesetzt werden, besteht. Bei diesen Vorstellungen denke ich auch an kulturelle Ergebnisse, wie sie von Bauern, Handwerkern und Hirten in der Vergangenheit neben ihrer beruflichen, der Lebenserhaltung dienenden Tätigkeit, geschaffen worden sind. Wenn uns die Zeugen solcher Kulturen, wie z. B. Nomadenteppiche oder die Einrichtung bäuerlicher Haushalte, heute besonders beeindrucken, dann dürfte dabei das Gefühl eine Rolle spielen, dass die Welt, in der diese entstanden sind, noch etwas Ganzes war. Vorausgesetzt, dass dieses Gefühl einer Realität entspricht, stellt sich die Frage, wie diese kulturellen Formen zustande gekommen sind. Ich neige dazu, ihre Entstehung als Ergebnis eines Strebens nach Ergänzung zu verstehen und glaube, dass solches auch in unserer Zeit möglich ist.
Viertens:
Die sinnvolle Nutzung der Freizeit halte ich für so wichtig, dass für deren Organisation neue Berufe entwickelt werden sollten. Die Chance, im Freizeitbereich Arbeitsplätze zu schaffen, ist davon abhängig, inwieweit die hier liegenden Möglichkeiten erkannt werden und inwieweit entsprechende Angebote erarbeitet werden. Das Prinzip von Nachfrage und Angebot bedarf hier anderer Beurteilungskriterien als bei Waren des täglichen und des gehobenen Bedarfes.
Fünftens:
Die im Zentrum für Spielen und Gestalten beruflich tätigen Menschen sollten sich nicht als Betreuer verstehen. Wir bemühen uns die Teilnehmer so anzusprechen, dass sie ihr ganzes menschliches Vermögen einbringen können. Das ist der Grund, weshalb wir unser Kursprogramm planmäßig durch Arbeitsgruppen ergänzen, wo jedes Mitglied von vorneherein angesprochen ist entsprechend seiner Fähigkeiten, Beiträge zu leisten. Der Neubau und das erweiterte Freigelände geben uns die Möglichkeit dieses Vorhaben in Angriff zu nehmen. Nachdem die Arbeitsgruppe der ,,Sternfreunde" von Anfang an hier war, wird nun auch die seit vielen Jahren bestehende Arbeitsgruppe ,,Mineralogie" ihre Arbeit ins Zentrum verlegen. Das
Orchester wird seine Proben in die Räume des Zentrums verlegen. Der seit einem Jahr bestehende Instrumentalkreis wird mit selbstgebauten Instrumenten musizieren. Eine Arbeitsgruppe ,,Gartenbau für Jugendliche" besteht nun schon im zweiten Jahr.
Ein Gebiet, von dem wir meinten, dass es im Zentrum auch vertreten sein sollte, ist die Biologie. Ich denke dabei zunächst an die praktische Naturbeobachtung bezogen auf Pflanzen und Tiere.
Während der Sommerferien soll ein Biotop für Frösche, Kröten und Molche in einer ruhigen Ecke des Geländes entstehen.
Im Sinne unserer Zielsetzung ,,Ausgleich und Ergänzung" geht es hier nicht darum schnell und problemlos zu Ergebnissen zu kommen. Die entscheidenden Möglichkeiten, die ich als kreative Vorgänge bezeichnen möchte, ergeben sich auf dem ganzen Weg, der Vorhaben, Verwirklichung, Betrachtung und Benutzung umfasst. Beim Arbeiten in der Freizeit haben wir die Möglichkeit, Ruhe und Kontemplation in die Gestaltung einfließen zu lassen. Die Verwirklichung dieser Möglichkeit ist nur in konkreten Situationen möglich, deshalb sind theoretische Erörterungen hierüber nur im Sinne einer allgemeinen Orientierung von Nutzen.
Sechstens:
Seit zwei Jahren finden im Zentrum am Vormittag Kurse für arbeitslose Jugendliche statt, bei denen Grundkenntnisse der Holzbearbeitung vermittelt werden. Diese Kurse werden in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt organisiert. Damit wird der Einstieg in ein Arbeitsverhältnis gefördert und gleichzeitig eine Hilfestellung menschlicher Art geboten. Wir sehen in dieser Arbeit einen wichtigen Bestandteil unserer Konzeption.
Siebtens:
Für die Unterstützung durch die Stadt Lörrach, die uns das Grundstück zur Verfügung stellt, sind wir sehr dankbar. Wir sind uns der Verantwortung bewusst, die sich hieraus ergibt. Hierzu gehört nicht zuletzt der sparsame Umgang mit finanziellen Mitteln und eine optimale Nutzung der Anlage.
Achtens:
Die Veranstaltung von Jugendarbeit, die Durchführung eines Kursprogrammes künstlerischer, handwerklicher, wissenschaftlicher Art, die Angliederung von Arbeitsgruppen und die Durchführung von Kursen für Arbeitslose an einem Ort ergibt in vieler Hinsicht eine anregende Atmosphäre. Die räumliche Zusammenfassung dieser Veranstaltungen halten wir auch unter dem Aspekt der Kosten für günstig. Die Größe und Vielfalt, die das Zentrum für Spielen und Gestalten mit dem Neubau und dem erweiterten Freigelände nun erreicht, sind als Ganzes noch gut erfassbar. Ich glaube, dass diese Größe auch im Verhältnis zur Stadt Lörrach in Ordnung ist.
Die Verwirklichung der hier dargelegten Ziele ist eine Arbeit, die zu einem großen Teil noch vor uns liegt. Inwieweit die Ziele zu verwirklichen sind, darüber lässt sich heute schwerlich eine Aussage machen.
Für die in der Kaltenbach-Stiftung verantwortlichen Vorstände und Beiräte und für die Mitarbeiter des Zentrums ist ausschlaggebend, dass hier ein lohnendes Ziel und konkrete Ansatzpunkte für eine Verwirklichung bestehen, bei denen es sich lohnt, dass man sich einsetzt und die damit verbundenen Risiken und Mühen auf sich nimmt.
Weiterentwicklung August 1987
Die sinnvolle Nutzung der Freizeit, steht im Mittelpunkt meiner Überlegungen und Vorschläge. Unsere bisherigen Veranstaltungen beziehen sich hauptsächlich auf die Freizeit am Feierabend. Ich meine, dass wir uns vermehrt den Möglichkeiten zuwenden sollten, die sich für unsere Institution an Wochenenden und in den Ferien ergeben. Mittelmäßige Zielsetzungen, bzw. Ergebnisse sollten uns nicht befriedigen, auch wenn zahlreiche Teilnehmer entsprechend orientiert sind. Aktivitäten in Richtung des alten Begriffes der "Muße" sehe ich als besonders erfolgversprechend. Es folgen nun einige Möglichkeiten und Gedanken, die sich in den letzten zwei Jahren ergeben haben:
1. Organisation und Ordnung in den Gebäuden und im Freigelände
Die Wirkung, die unabhängig von den Veranstaltungen, vom Erscheinungsbild unserer Freizeitanlage z.B. von ihren Gebäuden, von der geschmackvollen und sinnvollen Anordnung der Dinge, der Sauberkeit usw. ausgeht, erlangt mit der Erweiterung der Anlage eine wesentlich größere Bedeutung. Positive Wirkungen sind auch davon abhängig inwieweit die zuständigen Personen hierfür Verständnis, Gefühl und Fähigkeiten besitzen.
2. Jugendbereich
Unsere Bemühungen Kinder, die den offenen Jugendbereich besuchen, zu qualifizierten Tätigkeiten anzuregen, sind bisher nur in begrenztem Umfang erfolgreich gewesen. Offensichtlich ist es so, dass die Voraussetzungen hierfür besser sind, wenn wir Gruppen bilden, die sich unter bestimmten Themen regelmäßig treffen, wie dies bereits für die Töpferei, das Malen, den Gartenbau und das Erzählen und Aufführen von Märchen der Fall ist. Hieraus kann die Konsequenz gezogen werden, dass wir unsere Intensität vermehrt auf die Arbeit in solchen Gruppen verlegen.
Für den offenen Jugendbereich ist die Pflege des allgemeinen Umgangstones, die allgemeine Ordnung und gegenseitige Rücksichtnahme von großer Bedeutung. Hier gilt es ein gewisses menschliches Niveau zu pflegen und durchzusetzen. Besondere Chancen bieten sich durch sorgfältig vorbereitete Veranstaltungen wie z.B. Drachenbau, Winden von Adventskränzen, Vorbereitung verschiedener Feste, zu Fastnacht im Winter, im Sommer usw. In einem gewissen Umfang ist es sicher sinnvoll Eltern und Erwachsene einzubeziehen. Ein Gesichtspunkt hierbei ist das Entwickeln, Einüben und Organisieren von Festveranstaltungen. Das Thema Spielen und Feste feiern ist für die gesamte Anlage von besonderer Bedeutung. Der entscheidende Gesichtspunkt für die Jugendarbeit, ist das Erreichen eines höheren Niveaus in menschlicher, handwerklicher und gestalterischer Hinsicht. Die reine Zahl der Kinder, die von uns betreut werden, ist für den Erfolg unserer Arbeit von geringerer Bedeutung, a1s die Qua1ität, die innerhalb der verschiedenen Aktivitäten erreicht wird.
Die offene Jugendarbeit so11te nach wie vor auf das Alter von 6-14 Jahren begrenzt sein. Für ältere Jugendliche bietet sich die Möglichkeit am Abend einen Jugendtreff zu organisieren.
3. Anregen und organisieren von Spielen und Festen
Hier geht es um die Anschaffung zusätzlicher Einrichtungen im Freigelände und um die Anleitung und das Einüben von Spielen. Die Zusammenarbeit mit externen Fachleuten und Institutionen, sowie möglicherweise die Abhaltung entsprechender Seminare mit auswärtigen Referenten in unserem eigenen Hause, wäre m.E. sinnvoll. Im Hinblick auf die Vielzahl der bei uns stattfindenden Veranstaltungen von Familien, Vereinen, Firmen und Schulklassen bietet sich die Möglichkeit, entsprechende Anregungen an einen großen Kreis von Menschen weiterzugeben. Eine besondere Chance sehe ich in der Vermittlung von Leuten, die bei solchen
Festen musizieren, bzw. das Singen von Volksliedern begleiten. Das Zentrum könnte auch Noten und Textbücher zur Verfügung stellen.
4. Kursprogramm künstlerischer und handwerklicher Art
Hier spielt der Gesichtspunkt der Ergänzung zur beruflichen Inanspruchnahme eine große Rolle. Dazu gehört insbesondere das Kennenlernen von Werten gestalterischer und geschmacklicher Art und von Zusammenhängen, die über das alltägliche Maß hinausgehen. Das Bestreben Erfolgserlebnisse zu vermitteln ist m.E. nur innerhalb dieser Zielsetzung sinnvoll. Von entscheidender Bedeutung für den Erfolg solcher Kurse ist die Qualität und die Echtheit der Erlebnisse, bezogen auf die jeweilige Persönlichkeit des Teilnehmers. Es erscheint mir wichtig, dass mit den Kursleitern über deren Ziele und Alternativen gesprochen wird. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist dabei, dass entsprechende Anregungen zu gestalterischem Tun nur insoweit wirksam werden können, als innerhalb der Gruppen ein entsprechendes Niveau erreicht wird.
Handwerkliche und künstlerische Veranstaltungen, die mehr geselligen Charakter haben, sollten nach Mög1ichkeit als Arbeitsgruppe veranstaltet werden. In diesen Bereichen sollte es möglich sein eine Kostendeckung zu erreichen. In Gruppen, die sich mehr statisch verhalten, sollte man versuchen Ansatzpunkte zur qualitativen Verbesserung zu finden.
5. Naturbetrachtung
Die Pflege des "Anschauens" dessen, was man selbst gemacht hat und was andere gemacht haben, sollte bei jeder handwerklichen Aktivität ein wesentlicher Bestandteil der Kursarbeit sein. Die Fähigkeit zum Betrachten von natürlichen Dingen, wie z.B. Pflanzen, Bildern, Wetter, usw. ist für die Lebensgestaltung und Lebensbewältigung m.E. von großer Bedeutung.
6. Arbeitsgruppen
Das Prinzip hat sich in den letzten zwei Jahren gut bewährt, es ist wirkungsvoll, sobald sich zu einem geeigneten Thema entsprechende Menschen zusammenfinden. Die Mög1ichkeit der Übernahme von Verantwortung innerhalb der Arbeitsgruppen durch die Teilnehmer bietet besondere Chancen. Unser Bestreben den Menschen darzulegen, dass es wertvoll ist solche Verantwortung zu übernehmen, dürfte besonders aussichtsreich sein, wenn Jugendliche solches erleben.
7. Externe Berater für die Verbesserung bestehender und Entdeckung neuer Aktivitäten
Beim heutigen Umfang unserer Freizeitanlage erscheint es mir sinnvoll einen kleinen Kreis von Persönlichkeiten anzusprechen, die mit dem kulturellen Geschehen in unserem Raum, inklusiv Freiburg und Basel, aktuell in Verbindung stehen. Das Ziel dieser Kontaktaufnahme wäre, dass das Zentrum vermehrt und frühzeitig Hinweise auf Entwicklungen und Ereignisse in kulturellen Bereichen erhält und erfährt, wie seine Aktivitäten von außen gesehen und beurteilt werden. Eine solche Beratung sollte m.E. langfristig konzipiert sein und sich auf einen relativ kleinen Kreis beziehen.
8. Detailvorschläge für die Verbesserung der Einrichtung und der Veranstaltungen
-Kinderfeste mit und ohne Erwachsene vermehrt, verbessert und mit neuen Themen, zusätzlich zum Sommerfest.
-Konzerte an Wochenenden, neues Gebäude für die Lagerung von Holz und halbfertigen Werkstücken
-Einrichtung eines kleinen technischen Museums in Verbindung mit der Geschichte der
Fa. Kaltenbach im Obergeschoß des Mittelbaues, incl. betriebsbereiter Maschinen aus dem letzten Jahrhundert.
-Veranstaltung von Vorträgen als Ergänzung und Unterstützung unserer sonstigen Aktivitäten
-Veranstaltungen an Wochenenden und in den Ferien, vermehrt und mit einem erweiterten Themenkreis
-Verbindung zu Wissenschaftlern, die sich speziell mit dem Thema Freizeit beschäftigen, möglicherweise in Verbindung mit Vergabe von Studienarbeiten
Jahrestreffen 20.01.1989
Ich bin froh und dankbar, dass Prof. Dr. Bollnow aus Tübingen Gedanken zum Thema "Freizeit" entwickelt und formuliert hat und möchte Ihnen zur Eröffnung dieser Veranstaltung diesen Text nochmals in Erinnerung bringen. Der Text gibt eine Zusammenfassung des Vortrages "Krise und Chance unserer Zeit" bei dem die Freizeit bzw. Freizeitinteressen im Mittelpunkt stehen, ich zitiere:
"Aus solchen, meist bei einem zufälligen Anlass wach gewordenen Interessen an einer Sache (oder auch an einem Menschen) können sich bleibende Interessenrichtungen und ihnen entsprechende Beschäftigungen entwickeln, dass also, was man bisher etwas nachsichtig lächelnd als Steckenpferd oder Hobby zu bezeichnen gewohnt war. Ich möchte stattdessen lieber von Interessen sprechen, die der Mensch hat. Solche Interessen können sich aus zufälligem Anlass ergeben, aber sie entwickeln sich erst, wenn ihnen eine gewisse Neigung entgegenkommt, die dann in der Verfolgung des Interesses eine bestimmte Form gewinnt. Worauf es aber hier ankommt und wofür die etwas umständliche Analyse des Interesses erforderlich war, ist die Verwandlung, die im Menschen durch die Pflege seiner Interessen vor sich geht. Mit der zunehmenden (praktischen und theoretischen) Kenntnis entwickelt sich im Menschen eine immer feinere Aufnahmefähigkeit, ein immer tieferes Verständnis und eine immer reinere Freude an der Sache, kurz: es entwickelt sich ein Organ des Auffassens der Dinge in ihrer ganzen Schönheit und in ihrem ganzen Reichtum. Damit sind wir genau bei unserem Problem: Die Befreiung des Menschen aus einem nur auf Besitz und Macht gerichteten Nützlichkeitsdenken wird an einer zunächst ganz abseits und unscheinbar wirkenden Stelle ermöglicht, nämlich durch die Pflege seiner Freizeit-Interessen; denn hier vo11zieht sich an einer zunächst iso1iert scheinenden Ste1le eine Verwandlung des ganzen Menschen, eine Freilegung seiner vollen Menschlichkeit, die sich dann auf sein übriges Leben, auch in der Einstellung zur Arbeit im Beruf auswirken muss. Die Pflege der Interessen in der Freizeit gewinnt darum eine ganz entscheidende Bedeutung für die Entwicklung des Menschen. Die Freizeit kann darum, das ist meine These, einen wichtigen Beitrag zur Überwindung der gegenwärtigen Krise leisten."
Als die Kaltenbach-Stiftung vor 24 Jahren gegründet wurde, haben wir festgelegt, dass der Zweck der Stiftung die Förderung der Persönlichkeitsbildung sein soll. Dieses Ziel sollte erreicht werden durch Jugendhilfe und Erwachsenenbildung. Aus dieser Zielsetzung ist dann im Laufe der letzten 15 Jahre das Zentrum für Spielen und Gestalten entstanden.
Im Sinne der vorgelesenen Sätze von Prof. Bollnow sehe ich die Arbeit im Zentrum auch bei den Erwachsenen als eine Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft im kulturellen und im geistigen Bereich. Die allgemeine Zielsetzung des Zentrums ist es, die in der Freizeit liegenden Chancen zu ergreifen. Es ist jedoch nicht selbstverständlich und es liegt auch nicht unbedingt im Trend der Zeit, dass die Menschen diese Chancen auch ergreifen. Was uns, die wir hier zusammen sind, miteinander verbindet, ist die Überzeugung, dass man seine Freizeit selbständig und aktiv gestalten sollte. Was uns weiterhin verbindet ist, dass wir diese Chance nicht nur für uns allein oder in einem exklusiven Kreis verwirklichen wollen, unsere Absicht ist es jedem, der Interesse hat, zu helfen diese Chance zu ergreifen.
Der Punkt an dem das Zentrum seine Aufgabe sieht ist die Verbreitung solcher Gedanken und ihre praktische Verwirklichung im Rahmen einer gemeinnützigen Institution. In diesem Sinn verfolgen wir das Zie1, dass in den einzelnen Besuchern etwas vor sich geht, das sie innerlich bereichert. Es darf uns nicht genügen, wenn unsere Besucher etwas nach Hause tragen, das irgendwie ein äquivalent für ihre Kursgebühr und für ihre Mühe darstellt.
Wie Bollnow sagt, kann die Freilegung der ganzen Menschlichkeit durch die Pf1ege von Freizeitinteressen nur stattfinden, wenn die Verfolgung des Interesses zu einem tieferen Verständnis und zu einer reinen Freude an der Sache führt, wenn sich ein Organ für die Auffassung der Schönheit und des Reichtums der Dinge entwickelt. Diese These von Prof. Bollnow entspricht meiner persönlichen Erfahrung und ich meine, dass dies für unsere Arbeit richtungsweisend sein sollte.
Bei der künstlerischen Gesta1tung, wie auf vielen anderen Gebieten, ergibt sich immer wieder die Mög1ichkeit an den Punkt zu kommen, wo solches Auffassen der Schönheit und des Reichtums der Dinge erlebt werden kann. Nach meiner Erfahrung sind die meisten Menschen (wenn nicht gar alle) hier auf unmittelbare persönliche Anregungen und auf den geistigen Austausch mit Menschen angewiesen, die in dieser Richtung etwas erfahren haben. Der Weg zu solcher inneren Bereicherung führt jedoch über den Verzicht auf unmittelbare Befriedigung der Bedürfnisse; er erfordert Ausdauer und das Verkraften von Misserfolgen. Das ist die eine Seite. Genauso wichtig ist aber auch, dass man sich innerlich nicht verkrampft. Eine große Hilfe kann es sein, wenn man lernt spielerisch mit den Dingen umzugehen, wenn man lernt sich über Dinge zu freuen, die keinen Besitzwert haben, die einem möglicherweise ohne Ge1d und Mühe zur Verfügung stehen.
Viele unserer Besucher kommen mit anderen Vorstellungen und Absichten ins Zentrum. Aus diesem Grund können wir uns bei der Gestaltung unserer Arbeit nur bedingt an den Vorstellungen orientieren, mit denen die Besucher am Anfang zu uns kommen. Die sich aus der Zielsetzung des Zentrums und den Erwartungen der Besucher ergebende Aufgabe kann von den Kursleitern in unterschiedlicher Weise angegangen werden. In jedem Fall muss es ein eigenständiger Weg sein. Diesen Weg kann man nur finden, wenn man ihn selbst betritt.
Für das Zentrum als Ganzes ist es wichtig, dass eine positive Stimmung vorherrscht und dass die Umstände unter denen man arbeitet, günstig sind. Deshalb ist hier auch jeder Hilfsdienst von großer Bedeutung. Es ist mir wichtig, dass die Hilfsdienste so ausgeführt werden, dass sie nicht nur ihre Funktion erfüllen, sondern jeweils als Beitrag für die Zielsetzung des Zentrums verstanden werden. Das bedeutet, dass wir neben der Ordnung und dem guten Funktionieren auch die Schönheit der Dinge im Auge haben.
Im Berufsleben ist es aus unterschiedlichen Gründen oft nur bedingt möglich die Schönheit der Dinge voll zu berücksichtigen. In der Freizeit ist das anders. Im Zentrum haben wir die Möglichkeit die Dinge ausschließlich vom menschlichen her zu gestalten. Das erfordert in jedem Fall ein hohes Maß an Sensibilität und persönlichem Einsatz. Das bedeutet aber auch, dass wir gegenseitig und gegenüber den Teilnehmern gewisse Erwartungen haben müssen und dass wir dies auch durchsetzen, natürlich mit geeigneten Mitteln, sonst hat das Ganze ja keinen Sinn.
Eine wichtige Anforderung sehe ich in der Auswah1 der Inhalte, die wir unseren Teilnehmern vermitteln. Dazu gehört eine entsprechende fachliche Qualifikation einschließlich Gefühl für Material und Form. Ein sehr wichtiger Punkt ist in diesem Zusammenhang der sorgsame Umgang mit der Einrichtung, dem Werkzeug und dem Material. In diesem Zusammenhang möchte ich weniger auf die Kosten, als auf die Zielsetzung unserer Arbeit hinweisen Eine weitere Voraussetzung für den Erfolg ist der wohlwollende menschliche Umgang, eine von Wohlwollen geprägte Atmosphäre. Im Zentrum streben wir eine der Funktion entsprechende Schönheit der Anlage und der Einrichtung an. Das Ordnung Halten und das Würdigen von Hilfsdiensten, sind wichtige Bestandteile der Zielsetzung.
Zum Schluss dieser Aufzählung von Anforderungen, möchte ich noch darauf hinweisen, dass es eine logische Konsequenz unserer Zielsetzung ist, wenn wir von den Mitarbeitern und von den
Besuchern des Zentrums, auch von den Kindern, erwarten, dass sie hier nicht nur für sich selbst tätig sind, sondern in einem gewissen Umfang auch positive Beiträge leisten für die Gruppe innerhalb der sie hier arbeiten und spielen und für andere Gruppen, z.B. Erwachsene für Kinder, und Kinder für Senioren. Ich glaube, dass es sinnvol1 ist, wenn wir deutlich zum Ausdruck bringen, dass wir auch Beiträge für das Zentrum, das ja eine gemeinnützige Institution ist, erwarten.
Richtlinien für die Führung des Zentrums für Spielen und Gestalten Januar 1989
1. Zielsetzung ist die Förderung einer sinnvollen Nutzung der Freizeit, von der wir auch positive Wirkungen auf Familie und Beruf erwarten.
2. Für die Beurteilung unserer Wirksamkeit erachten wir als besonders wichtig:
- Wirkung der Anlage und der Räume auf die Besucher
- menschlicher Umgang auch innerhalb der Kurse und Arbeitsgruppen
- Auswahl und Darbietung der Inhalte
3. Bei der Durchführung legen wir besonderen Wert auf:
- permanente Suche und Auswahl von Mitarbeitern
- Planung und Gestaltung der Aktivitäten
- Förderung der Gemeinschaft
4. Zusätzliche Gesichtspunkte für die Kinder- und Jugendarbeit:
- Heranführen an Gebiete, die eigenständige Aktivität fördern
- Konzentration und Ausdauer üben
- Arbeit einüben
- Anforderungen bezüglich positiver Beiträge für die Gemeinschaft stellen und durchsetzen
- Förderung der kreativen Leistung von Einzelnen und von Gruppen,
- Abwehr von schablonenhafter Praxis
Vorwort zum Programm 2. Halbjahr 1990
Für das Weltbild geschichtlicher wie auch vorgeschichtlicher Kulturen war die Himmelbeobachtung von entscheidender Bedeutung. So ist es naheliegend, dass sich das Zentrum für Spielen und Gestalten auch mit diesem Thema beschäftigt. Es ist unser Ziel die verschiedenen Erscheinungen so darzustellen, dass sie für Anfänger und für Fortgeschrittene verständlich und interessant sind.
Im Rahmen der Kinder- und Jugendarbeit beobachten wir seit März mittels verschiedener Vorrichtungen die Bahn der Sonne in ihrem täglichen und jahreszeitlichen Verlauf.
Die Tag -u. Nachtgleiche am 21. März war hierfür ein besonders wichtiger Tag. Wir konnten feststellen, dass der Schatten, den ein an einer Stange befestigter Tennisball auf den Asphaltboden vor dem Bau Süd wirft, sich an diesem Tag auf einer geraden Bahn bewegt, die genau in westöstlicher Richtung verläuft. Wir haben den Winkel zwischen dieser Schattenbahn und dem Lot des Tennisballes gemessen und sind dabei auf 47, 5 Grad gekommen. Anhand eines Erdglobus wurde verständlich gemacht, dass dieser Winkel mit der geographischen Breite von Lörrach und der Neigung der Erdachse übereinstimmt.
Mit der Ermittlung der Ostwest-Richtung und des Winkels 47,5 Grad wurden die Voraussetzungen für den Bau, die Aufstellung und die Justierung unserer Sonnenuhren geschaffen. Als Grundlage für die Orientierung am nächtlichen Himmel haben wir die an der Decke der Malstube befestigten Sternbilder mit leichtverständlichen Bezugslinien versehen.
Entwicklung und Konzeption 23.10.1990
In den 17 Jahren ihres Bestehens hat die Freizeitanlage Zentrum für Spielen und Gestalten Lörrach ihre Aktivitäten kontinuierlich ausgeweitet und vertieft. Im Gründungsjahr 1973 wurde die südliche Halle errichtet, mit einem universal verwendbaren Raum, einer kleinen Töpferei, einer Holzwerkstatt und einer Küche. Der Träger, die Dieter-Ka1tenbach-Stiftung, hat sich mit dieser Anlage das Ziel gesetzt, Kindern und Jugendlichen Möglichkeiten zu bieten, sich unter fachkundiger Anleitung mit handwerklichen und künstlerischen Dingen wie Holzschnitzen, Zeichnen, Malen, Töpfern, Hüttenbau, Gartenbau, Kochen usw. zu beschäftigen. Bei der Zusammenstellung des Beschäftigungsprogrammes ist man davon ausgegangen, dass durch die Einführung vielfacher technischer Geräte im alltäglichen Leben eine Vielzahl von Betätigungen und damit auch viele Mög1ichkeiten zum Sammeln von Erfahrungen grundlegender Art verlorengegangen sind. Als Beispiel sei an die Vielzahl kleiner handwerklicher und landwirtschaftlicher Betriebe, an die Familienhaushalte mit Gemüsegarten, Obstgarten, Kleintierhaltung usw., wie sie bis in die Nachkriegszeit in Funktion waren, erinnert.
Die Kaltenbach-Stiftung stellt sich immer wieder die Frage, welche Chancen die vermehrte Freizeit eröffnet. In seinem Vortrag " Krise und Chance unserer Zeit " entwickelt der Tübinger Emeritus Otto Friedrich Bollow Gedankengänge, die über das, was man üblicherweise von Freizeitgestaltung erwartet, weit hinausgehen. Die folgenden Sätze, die eine Zusammenfassung seiner Gedanken darstellt, enthalten eine interessante Antwort:
"Aus solchen, meist aus einem zufälligen An1ass wach gewordenen Interessen an einer Sache (oder auch an einem Menschen) können sich bleibende Interessenrichtungen und ihnen entsprechende Beschäftigungen entwickeln, das also, was man bisher etwas nachsichtig lächelnd als Steckenpferd oder Hobby zu bezeichnen gewohnt war. Ich möchte stattdessen lieber von Interessen sprechen, die der Mensch hat. Solche Interessen können sich aus zufälligem Anlass ergeben, aber sie entwickeln sich erst, wenn ihnen eine gewisse Neigung entgegenkommt, die dann in der Verfolgung des Interesses eine bestimmte Form gewinnt."
Beim Zustandekommen von Erfindungen und Entdeckungen sowie bei der Entstehung von Kunstwerken und erfolgreichen Produkten spielt die Kreativität der beteiligten Personen eine große Rolle. Wenn man kreative Vorgänge genauer betrachtet kann man feststellen, dass auch für die Bewältigung des Alltages und insbesondere für menschliche Beziehungen, Kreativität erforderlich ist und dass im Grunde jeder Mensch die Fähigkeit besitzt Kreativität zu entwickeln. Für die Ausbildung der Persönlichkeit und für die Fortentwicklung der Gesellschaft ist sie lebensnotwendig. So gesehen gehören die Förderung, wie auch die Behinderung von Kreativität, sozusagen zum sozialen Schicksal des einzelnen Menschen, der Gesellschaft, sowie auch ganzer Kulturen.
Es gehört wohl zu den Schwächen unserer Zeit, dass kreative Vorgänge selten und nur an ganz bestimmten Stellen wahrgenommen werden, dies gilt meines Erachtens auch für die Schule. Wissenschaftliche Untersuchungen in mehreren Ländern haben zu dem Ergebnis geführt, dass alle kreativen Vorgänge einen ähnlichen Verlauf haben. Zunächst findet eine intensive Beschäftigung mit einer Sache statt, oftmals bis an die Grenze der persönlichen Belastbarkeit. Beim Wegschauen oder Wegdenken von der Sache, wenn man sich von den vorhandenen Vorstellungen gelöst hat, eröffnet sich dann ein neuer Zugang zur Lösung. Das Zentrum für Spielen und Gestalten ist bemüht, seine Aktivitäten so zu gestalten, dass die Teilnehmer ihre kreativen Fähigkeiten kennenlernen können und dadurch eine Bereicherung ihres Lebens erfahren.
Jahrestreffen 11.02.1992
Die Dieter-Kaltenbach-Stiftung besteht nun seit 25 Jahren, das Zentrum für Spielen und Gestalten seit 18 Jahren. Für die Entwicklung des Zentrums ist die Kontinuität der Arbeit von großer Wichtigkeit, zumal die Schnelllebigkeit unserer Zeit für die Ausgestaltung des Menschlichen nicht immer günstig ist. In den 18 Jahren seines Bestehens ist das Zentrum etwa 500.000-mal von Teilnehmern besucht worden. Für den kulturellen Bereich unserer Stadt ist das ein Beitrag, auf den die Mitarbeiter unseres Zentrums, wie auch die Stadt Lörrach mit Befriedigung blicken dürfen. Im Laufe der letzten Jahre hat sich im Zentrum eine neue Aktivität entwickelt, ich denke da an die Arbeitsgruppen. Dieser Bereich hat einen eigenen Charakter und ist sicher noch entwicklungsfähig. Auf diese Arbeit werde ich, im Zusammenhang mit der Zielsetzung des Zentrums, zurückkommen.
Bei der genannten Zahl von 500.000 Besuchern stellt sich die Frage, was die Menschen dabei erfahren, gelernt und erlebt haben oder allgemein gesagt, was sie mitgenommen haben. Da wäre als erstes zu nennen, was die Mitarbeiter des Zentrums und die Kursleiter in ihrem Arbeitsfeld den Teilnehmern vermittelt haben. Neben den Beiträgen der Leiter, stehen die Beiträge der Besucher. Die Beiträge der Teilnehmer ernst zu nehmen, zu fördern und soweit es angebracht ist, auch zu fordern, ist ein wesentlicher Teil ihrer Aufgabe und ihrer Arbeit. Die persönliche Beziehung zwischen Teilnehmer und Leiter steht im Mittelpunkt des Ganzen. Alles andere kann man als Apparat, als Mittel zum Zweck, ansehen.
Ich meine jedoch, dass man den "Apparat" d.h. die Gebäude, das Freigelände mit den Gärten, die Ordnung, die Sauberkeit, die ästhetische Anordnung der Dinge, die Pflege der Einrichtung nicht nur von ihrem sachlichen Nutzen her beurteilen sollte. Wir sind bestrebt, auch in diesem Bereich einen Stil durchzuhalten, der der Zielsetzung des Zentrums entspricht. Das ist mit ein Grund dafür, dass wir es für wichtig halten, dass alle Mitarbeiter mindestens einmal im Jahr zusammenkommen, dass man sich sieht, dass man sich kennen lernt und etwas erfährt von den Erfolgen und Sorgen in den verschiedenen Bereichen. Es ist mir wichtig, dass alle Menschen, die im Zentrum mitarbeiten ein Bewusstsein haben für die gegenseitige Abhängigkeit und für die Herausforderung, die sich aus dem ergibt, was das Zentrum als ein Ganzes darstellt und aus dem, was es in Zukunft noch werden könnte. Hierbei spielt natürlich auch die Zielsetzung des Zentrums eine Rolle.
Bei allem Planen und Überlegen muss man davon ausgehen, dass es letzten Endes nicht möglich ist voll zu erfassen, was bei den verschiedenen Aktivitäten im menschlichen Bereich tatsächlich stattfindet. Gleichwohl streben wir danach dieses Geschehen zu begreifen bzw. zu erahnen. Dafür ist es vorteilhaft eine Zielsetzung zu haben, in der das, was im menschlichen Bereich als besonders wichtig erscheint, deutlich zum Ausdruck kommt. Das Tatsächliche ist das reale Leben in seinen vielfältigen Ausprägungen, das sich unserer Verfügung und unserem Erkennen immer wieder entzieht und unseren Vorstellungen des Öfteren nicht folgt. Wir werden da mit vielen Dingen konfrontiert. Zunächst sind es die Erwartungen unserer Besucher und die wechselnden Modeströmungen bei der Freizeitgestaltung, denen wir mehr oder weniger Rechnung tragen müssen. Neben der Anpassung an sich ändernde Gegebenheiten brauchen wir auch eine übergeordnete Zielsetzung an der sich eine über Jahrzehnte gehende Entwicklung orientieren kann.
Nach Überlegungen in verschiedene Richtungen möchte ich Ihnen heute eine Formulierung unserer Zielsetzung erläutern von der ich meine, dass darin auch gewisse Probleme unserer Zeit angesprochen sind: „Die Aktivitäten des Zentrums sollen so gestaltet werden, dass sie der Ernsthaftigkeit des Lebens entsprechen". Ich bin mir bewusst, dass diese Zielsetzung mit den
Vorstellungen vieler Menschen über Freizeit nicht übereinstimmt. Bei der heute üblichen Trennung des Lebens in Arbeitszeit und Freizeit ist man geneigt, den Ernst des Lebens der Berufsarbeit und der Schule zuzuordnen und die Freizeit als Befreiung von diesem Ernst des Lebens zu verstehen. Das führt wohl auch dazu, dass Spiele aller Art in großen Mengen und in sich dauernd ändernder Form gefragt sind.
Vor einigen Wochen ist mir ein Aufsatz über das Spiel in die Hände gekommen, dem als Leitmotiv der folgende Ausspruch des berühmten griechischen Philosophen Platon vorangestellt ist: „Festhalten müsst Ihr an einem Bund und einem Hauptgesetz wie es gerecht ist, zu schwören müsst Ihr einem Ernst der den Musen nicht feind ist und einem Spiel, das dem Ernst verwandt ist“. Der Text ist recht komprimiert, deshalb möchte ich ihn etwas aufgliedern. In der Einleitung spricht Platon von einem Bund und von einem Hauptgesetz, das zeigt, wie wichtig ihm die Sache ist. In den folgenden Abschnitten kommt jeweils das Wort Ernst vor. Im ersten Abschnitt wird der Ernst durch den Hinweis auf die Musen menschlich interpretiert. Im zweiten Teil wird das Spiel als eine wichtige Lebensäußerung bejaht, insoweit es dem Ernst verwandt ist. Das Altertum, wie auch unsere Zeit, kennt natürlich auch andere Möglichkeiten der Lebensorientierung, bei denen nicht der Ernst, sondern die Lust bzw. das Spiel die Richtung bestimmt.
Der Aufsatz, dem ich das Zitat von Platon entnommen habe, trägt die Überschrift "Vom Ernst des Spiels". Er hat mich angeregt, die Zielsetzung des Zentrums bzw. die Zielsetzung der Freizeit unter diesem Aspekt zu betrachten. Aufgrund meiner Erfahrung möchte ich sagen, dass Arbeit und Lernen nicht von sich aus den Charakter des Ernstes haben. Man kann durchaus unernst arbeiten und unernst lernen. Wenn man darauf achten wollte, könnte man dafür täglich Beispiele finden. Lohnender und befriedigender ist es, Beispiele zu suchen für "das Spiel, das dem Ernst verwandt ist“ und für einen "Ernst, der den Musen nicht feind ist" oder gar zugeneigt ist. Die hier angesprochene Unterscheidung weist meines Erachtens in die Richtung, die ich zuvor mit dem Ausdruck "der Ernsthaftigkeit des Lebens dienen " gemeint habe. Wenn man Kreativität als ein zentrales Lebensprinzip ansieht, dann geht es da um Erneuerungen, die für die Erhaltung der Ernsthaftigkeit des Lebens unverzichtbar sind.
In der Satzung der Dieter-Kaltenbach-Stiftung ist der Stiftungszweck mit dem Wort „Persön1ichkeitsbi1dung" umschrieben, d.h. eine Bildung, die sich auf die Förderung der Persönlichkeit bezieht. Das praktische Leben bietet viele Beispiele für "ein Spiel, das dem Ernst verwandt ist" und für " einen Ernst, der den Musen nicht feind ist“. Von einem Geiger, der seinen Beruf ausübt, erwarten wir nicht nur präzise Töne und präzisen Takt, wir erwarten, dass er tatsächlich auch spielt, dass er sich dem Spiel hingibt, das heißt, dass sein Ernst den Musen zugeneigt ist. Ernstes Spiel erwächst aber nur aus der Pflege. So enthält jedes ernste Spiel auch eine Portion Pflicht. Auf der anderen Seite wird jede Pflicht, jede Arbeit, die man innerlich annimmt, auch ein Stück weit zu Spiel, vorausgesetzt, dass der Ernst mit dem man sie betreibt, den Musen nicht feind ist. Ein besonders schönes Bild hierfür ist der Schmied, der dem glühenden Eisen mit dem auf und ab geschwungenen Hammer, eine schöne, zweckvolle und überaus feste und beständige Form verleiht.
Wenn man Kinder zu Arbeit anleitet stellt sich die Frage, in wieweit die Motivation durch Belohnung oder Lob in diesem Sinne zu guten Ergebnissen führen kann. Zu bedenken wäre da, dass es die Annahme der Pflicht, die Versöhnung mit der Pflicht ist, die dazu führt, dass die Arbeit etwas von der Leichtigkeit des Spieles annimmt. Wenn man bei der Arbeit das spielerische oder gar das verspielte an den Anfang setzt, besteht die Gefahr, dass man den Weg, der zu dieser Leichtigkeit führt, verfehlt.
Für die Arbeit im Zentrum ist es wichtig," den Bogen so zu spannen", wie es der Sache und dem Vermögen der Teilnehmer entspricht. Für den handwerklichen Bereich des Zentrums meine ich, dass zur Vollständigkeit und zum Ernst der Sache, auch die Schönheit der Form gehört. Ernst wie auch Unernst des eigenen Tuns wird in weitem Umfang offenkundig, wenn man töpfert, schreinert, schnitz oder malt. Es ist wichtig, dass die Leiter sich bewusst sind, in welchem Maß sich die Teilnehmer dabei offenbaren. Es gibt da immer wieder Momente, in denen es bei den Teilnehmern um ernste Lebensfragen geht.
Die Erwartungen an die Freizeit und die entsprechenden Angebote deuten heute oft in eine andere Richtung. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass wir im Zentrum unsere Zielsetzung konsequent formulieren und verfolgen.
Mitarbeiterversammlung 29.01.1993
Zur Einstimmung auf das Thema "Zielsetzung" möchte ich in aller Kürze einen Rückblick auf' die Geschichte des Zentrums für Spielen und Gestalten geben. Wir können in diesem Jahr auf ein 20-jähriges Wirken zurückblicken. Die Zielsetzung ist bereits 8 Jahre früher d.h. 1965 bei der Gründung der Dieter-Kaltenbach-Stiftung, entstanden. Ich habe mich damals bemüht, für den Stiftungszweck eine Formulierung zu finden, die meinen Lebenserfahrungen und meinen Absichten entsprach. Auf Grund der damaligen Gespräche wurde die Zielsetzung der Dieter-Kaltenbach-Stiftung mit dem Begriff "Persönlichkeitsbildung" umschrieben und festgelegt. Ich bin froh, dass wir diese Zielsetzung haben.
Bei der Beurteilung von Vorschlägen und Ergebnissen unserer Arbeit habe ich mir und unseren Mitarbeitern immer wieder die Frage gestellt, was während der verschiedenen Aktivitäten bei den Teilnehmern gefördert bzw. angeregt worden ist und was da im Bereich ihrer Persönlichkeit stattgefunden hat. Als Hinweis darauf, wie Persönlichkeitsbildung gesehen werden kann, möchte ich einige Sätze vorlesen, die der Philosoph Karl Jaspers in seinem Buch "Maßgebende Menschen" über die Lehre von Konfuzius geschrieben hat:
"Unmittelbarer Eingriff in die schon in Entfaltung begriffenen Zustände kann nicht mehr entscheidend wirken. Er kommt zu spät. Man kann zwar durch Gewalt, durch Gesetze und Strafen wirken, aber zugleich unheilvoll, denn die Vergewaltigten weichen aus. Nur mittelbar sind die großen Wirkungen zu erzielen. Was erst im Keim da ist, kann noch in andere Richtungen gelenkt oder gefördert werden. An ihm ist die entscheidende Wirkung mög1ich. Die menschlichen Ursprünge, die alles andere zur Folge haben, müssen gedeihen. "
Die Zielsetzung der Dieter-Kaltenbach-Stiftung, die wie gesagt, vor 28 Jahren festgelegt wurde, ist meines Erachtens nach wie vor aktuell und auch in Ihrer Formulierung brauchbar. Für die pädagogische Arbeit gibt es eine begrenzte Zahl grundlegender Ausgangspunkte, die in dem genannten Buch von Karl Jaspers eingehend dargelegt werden. Für das Zentrum für Spielen und Gestalten gibt es in dieser Richtung keine Festlegung. Es besteht auch nicht die Absicht, eine Kombination grundlegend verschiedener Wege zu versuchen, wie es derzeit vielfach in Mode ist. Jeder, der im Zentrum tätig ist, sei es als Angestellter oder als freier Mitarbeiter, bringt ein bestimmtes pädagogisches Anliegen mit. Mit unserer Zielsetzung möchten wir zunächst zum Ausdruck bringen, dass man über diese Anliegen spricht, sich über die zu erwartenden pädagogischen Wirkungen Gedanken macht und die tatsächlich erreichten Ergebnisse wahrnimmt. Entsprechend dem Programm des Zentrums sollten diese Gespräche vorzugsweise nicht idiologisch, sondern anhand greifbarer Dinge und Fragen erfolgen. Aus der Fülle der Möglichkeiten möchte ich einige herausgreifen:
- Welche Technik ist an einer bestimmten Stelle sinnvoll?
- Wie lässt sich die Umwelt und die Eigenart bestimmter Materialien in die Gestaltung eines Gegenstandes einbeziehen?
- Wie erreicht man Schönheit, die unter den genannten Gesichtspunkten befriedigend ist?
- Wie erreicht man ein optimales Zusammenwirken der beteiligten Personen?
Die "greifbaren Dinge" haben in der Wirklichkeit meistens eine wissenschaftlich-technische, eine ästhetische und eine gesellschaftlich-soziale Seite. Eine Versöhnung dieser "Seiten" durch eine bestimmte Ideologie ist entsprechend den Erfahrungen unserer Zeit offensichtlich nicht möglich. Der Weg, Versöhnung im konkreten Leben zu verwirklichen, ist damit jedoch keineswegs verbaut. Die Grenze des Machbaren lässt sich im konkreten Fall immer wieder verändern. Wenn solches gelingt, ist es angebracht, zu staunen. Wir sprechen dann mitunter auch von kreativen Vorgängen.
Mitarbeitertreffen 09.02.1996
Über die Wahrnehmung von Notwendigkeiten
Das Zentrum hat im Verlauf der 22 Jahre seit der offfiziel1en Eröffnung 1973 mehrmals tief-greifende Veränderungen erfahren. Zu Beginn wurde ausschließlich Kinder- und Jugendarbeit gemacht; erfolgreiche Aktivitäten waren damals:
- Hüttenbau
- Feuermachen
- Mosten
- Höhlen und Unterstände im Erdhaufen
- Töpfern
- Malen
Das Interesse der Kinder für solche Dinge hat sich offensichtlich im Verlauf der Jahre verändert. Seit der Errichtung des Mittelbaues hat die Erwachsenenarbeit in Kooperation mit der Volkshochschule mehr und mehr an Bedeutung gewonnen. In der Zwischenzeit haben sich die inhaltlichen Schwerpunkte entsprechend dem allgemeinen Trend spürbar verschoben. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür ist der textile Bereich. Selbstgefärbte, selbstgesponnene, selbst-
gestrickte Mützen und Pullover sind heute nicht mehr in dem Maße Mode, wie es vor 12 Jahren der Fall war. Gleichwohl gibt es im textilen Bereich Dinge, die von zeitloser Bedeutung sind.
Zu Beginn der Arbeit im Zentrum für Spielen und Gestalten haben wir uns an den Erfahrungen der Basler Abenteuerspielplätze orientiert. Das Konzept ,,Abenteuerspielplatz" hat mich allerdings nicht überzeugt, weil das Organisieren von Abenteuern dem Lebensernst der Kinder m E. nicht entspricht. Ich möchte heute den Versuch machen, für die Gestaltung unserer Arbeit einen Ansatz zu formulieren, der dem Anliegen der Teilnehmer, seien es Kinder oder Erwachsene, gerecht wird. Das Wort Ansatz verstehe ich hier im Sinne einer mathematischen Formel, in die man verschiedene Werte einsetzen kann. Ein allgemein bekannter und vielfach angewendeter derartiger Ansatz lautet wie folgt:
- Bedürfnisse feststellen.
- Bedürfnisse befriedigen.
Aufgrund meiner Erfahrung möchte ich diesem Ansatz einen anderen gegenüberstellen, von dem ich meine, dass er den Herausforderungen des Lebens mehr entspricht, als die obige Formulierung. Wenn man das Wort Bedürfnis durch Notwendigkeit ersetzt und das Wort feststellen durch wahrnehmen, dann ergibt sich folgender Ansatz:
- Notwendigkeiten wahrnehmen.
- Sich von Notwendigkeiten leiten lassen.
Bei meiner beruflichen Arbeit als Unternehmer und als Entwerfer und Gestalter von Maschinen hat sich immer wieder gezeigt, dass es nicht nur auf gute Ideen, Sachkenntnis und genaue Berechnungen ankommt, sondern in hohem Maß auch auf die innere Einstellung und Motivation der verantwortlichen Personen. Eine optimale Motivation ergibt sich aus dem zuvor genannten Ansatz: Notwendigkeiten wahrnehmen, sich von Notwendigkeiten leiten lassen.
Solches gilt m. E. auch fürs Zentrum. Dabei muss allerdings gesagt werden, dass dieser Ansatz sehr hohe Ansprüche stellt. Wo es nicht gelingt, ihm voll gerecht zu werden, kann er gleichwohl als Orientierungshilfe gute Dienste leisten.
In dem von meinem Vater entwickelten Handwagen ,,Rolli", aber auch in den von Architekt Hertel gebauten Gebäuden des Zentrums sehe ich Gestaltungen, die in dieser Art und Weise entwickelt und realisiert worden sind. Die beiden Beispiele mögen zeigen, dass sich unser Ansatz nicht auf zwingende Notwendigkeiten bezieht, sondern vielmehr auf Möglichkeiten, die sich für eine Realisierung anbieten.
Im weiteren Verlauf meines Referates werde ich versuchen, diesen Ansatz auf konkrete Situationen des Zentrums aus Vergangenheit und Gegenwart anzuwenden. Zuvor will ich eine kurze Betrachtung anstellen über den Unterschied zwischen den Wörtern Bedürfnis und Notwendigkeit sowie zwischen Feststellen und Wahrnehmen.
Das Wort Notwendigkeit bezieht sich letztlich auf unser menschliches Leben, das in letzter Konsequenz als Notwendigkeit, nicht als Bedürfnis zu verstehen ist. Wenn man von Bedürfnissen spricht, dann spielen da Dinge wie Mode und Manipulationen der verschiedensten Art eine entscheidende Rolle. Man befindet sich bei den Bedürfnissen vielfach im Bereich des Wünschens und des Wunschdenkens. Beim Wahrnehmen von Notwendigkeiten handelt es sich letztlich um kreative Vorgänge, die unmittelbar wirklichkeitsbezogen, nicht leicht zu erfassen sind. Gefühle sind dabei in keiner Weise ausgeschlossen; Notwendigkeiten sind in gleicher Weise sachlich, wie auch seelisch zu verstehen. Wie es bei kreativen Vorgängen generell der Fall ist, so erfordert auch das Wahrnehmen von Notwendigkeiten ein hohes Maß an Hingabe.
Nach dieser mehr theoretischen Einleitung will ich nun versuchen, unseren Ansatz auf einige Aktivitäten des Zentrums anzuwenden. Die Gedanken, die zur Gründung des Zentrums für Spielen und Gestalten geführt haben, lassen sich wohl auf Erlebnisse meiner Kindheit zurückführen. Ich erinnere mich, dass ich als etwa Zehnjähriger ein starkes Bedürfnis hatte, etwas zu schaffen; oft wusste ich jedoch nicht was ich anfangen sollte. Ich erinnere mich, dass es nicht irgendetwas sein sollte, sondern etwas Wichtiges, etwas Notwendiges, in das ich meine ganze Kraft einbringen konnte. Mein Vater hatte großes Verständnis für mein Anliegen, wie auch für meine Ratlosigkeit und hat mir dann immer wieder mit Ideen, aber auch mit Material und Werkzeug weitergeholfen. Ähnliche Unterstützung habe ich bei künstlerischen Ambitionen im Laufe meines Lebens durch Lehrer und befreundete Künstlerpersönlichkeiten erfahren. Solche Hilfe wollen wir im Zentrum für Kinder, Jugendliche und Erwachsene leisten. Bei den Kindern und bei den Jugendlichen geht es uns vor allem um Dinge, die eine Ergänzung zu dem,
was im Elternhaus und in der Schule stattfindet, darstellen.
Die erste große Aktivität des Spiel- und Werkplatzes, wie das Zentrum zu Beginn genannt wurde, war der Hüttenbau. Wenn vier bis sechs Jugendliche sich zu einer Gruppe zusammenfanden, konnten sie eine Hütte bauen: sie erhielten einen Platz zugewiesen, dazu Pfosten, Schwartenbretter, Nägel und Werkzeug. Zur obligaten Ausstattung einer jeden Hütte gehörte ein Ofen oder ein Herd, welche damals jederzeit ohne Kosten zu haben waren. Wenn ich mir heute die Frage stelle, warum der Hüttenbau damals so erfolgreich war, dann neige ich dazu zu sagen: Weil er einer Notwendigkeit entsprach. Das ist mehr, als wenn ich sagen würde, weil er einem Bedürfnis entsprach". Bedürfnisse kann man, wie schon gesagt, wecken. Man kann sie auch einschlafen lassen. Notwendigkeiten haben einen tieferen Grund.
Das Feuermachen in den Hütten war ein wichtiger Bestandteil dieser Notwendigkeit. Über Jahre wurde in den Hütten gekocht; so manches Kind hat sich in seiner Hütte regelmäßig sein Mittagsmahl bereitet. Solches wurde stets als ein ganz normales Ereignis betrachtet. Das Dach der Hütten bzw. der Schutz vor Regen, Schnee, hellem Licht und Sonne war sicher nicht minder eine Notwendigkeit als das Feuer.
Bei den Dächern war das Ergebnis jedoch bis zum Schluss unbefriedigend. Wenn ich mich nun heute frage, warum es bei den Dächern nicht gelungen ist, eine befriedigende Praxis zu
realisieren, dann neige ich dazu zu sagen: Man hat zwar gesehen und gespürt, dass der Regen überall hereinkam und mit der Zeit Fäulnis und Schimmel sich ausbreiteten, aber gleichwohl wurde die Notwendigkeit eines verlässlichen Daches nicht wahrgenommen. Der Grund hierfür möge darin gelegen haben, dass man den Hüttenbau in erster Linie als ,,Schönwetter-Aktion" verstand, die vor allem dazu dienen sollte, den Jugendlichen beim Bau Spaß zu machen. Entsprechend unserem Ansatz wäre da zu sagen, dass die Notwendigkeit eines guten Daches nicht wahrgenommen wurde. Dass es leicht möglich ist, mit Brettern beliebiger Länge und Breite einwandfreie Dächer zu machen, beweisen die der Aufbewahrung von Heu dienenden Hütten, hoch oben in den Alpen. Derartige Vorbilder aus der vorindustriellen Zeit können für unsere Arbeit im Zentrum in vielen Fällen als Anregung dienen, da darin oftmals die Erfahrung von Generationen niedergelegt ist. Solche Übernahme sollte gleichwohl bedacht erfolgen und nicht als Nachahmung, sondern in Erfassung dessen, was da an Notwendigkeit und an Realisierung vorliegt.
Dass eine Sache Spaß machen muss, ist für Kinder eine Notwendigkeit, aber auch der Spaß braucht sozusagen eine gewisse Existenzgrundlage, ohne die er verdorrt wie eine Pflanze, wenn sie kein Wasser bekommt.
Das Feuermachen im Freien war, wie der Hüttenbau, von Anfang an ein Thema des Spiel- und Werkplatzes. Dafür wurde Brennmaterial gebraucht, das die Kinder von Geschäften in Form von Obstkisten aus Holz und Pappkartons beibrachten. Zusammen mit grünen Ästen, die beim Schnitt unserer Obstbäume angefallen waren, wurden damit riesige rauchende Feuer entfacht. Als Einzelveranstaltung war das wohl gerechtfertigt, nicht jedoch als wöchentlich wiederkehrendes Happening.
Der Notwendigkeit folgend, haben wir dann einen Holzschopf gebaut. Der Baumschnitt wurde von den Kindern zerkleinert, im Schopf getrocknet und in geeigneten Portionen entnommen. Man kann wohl sagen, dass diese Gestalt des Feuers im Freien der Notwendigkeit des Zentrums entsprach. Dass die Entwicklung so gelaufen ist, ohne dass gegen unsere Feuer Einspruch erhoben wurde, ist m. E. nicht selbstverständlich. Ich hoffe, dass dies auch in Zukunft weiterhin der Fall sein kann.
Die Zubereitung von Speisen am offenen Feuer kann im Zentrum ebenfalls als Notwendigkeit gesehen werden. Das Backen von Brot erfolgt im Zentrum nach wie vor in der Weise, dass Teig an einen Stock geklebt und ins Feuer gehalten wird. Dabei fällt der Teig oft ins Feuer, ein Teil des Teiges verkohlt und ein anderer wird nicht durchgebacken. Das Backen von Brot am Stock macht den Kindern trotz dieser Mängel Spaß. Auf die Frage, ob diese Technik einer Notwendigkeit entspricht, würde ich heute folgende Antwort geben: Wenn man den würdigen Umgang mit Brot als eine Notwendigkeit wahrnimmt, dann kann man diese Technik nicht als befriedigend empfinden und man sollte nach einer besseren Ausschau halten.
Im Hinblick auf die eingangs erwähnte Zielsetzung des Zentrums ist es naheliegend, auch Dinge wie Himmelsbeobachtung zu praktizieren. Wenn man von der Notwendigkeit entsprechender Erlebnisse und Kenntnisse für die Kinder ausgeht, dann sind die Wahrnehmung von senkrecht und waagrecht, die Beobachtung der Sonnenbahn im Tageslauf und im Lauf des Jahres, die Ableitung der Himmelsrichtungen aus der Bahn der Sonne und der Sterne wichtige Inhalte. Vertiefte, astronomische Kenntnisse können durch das Ablesen der Uhrzeit an einer Äquatorial-Sonnenuhr einschließlich der jahreszeitlichen Abweichung zwischen Uhrzeit und Sonnenzeit gewonnen werden.
Ich möchte nun noch auf das Spielen eingehen, das im Zentrum den Rang einer Notwendigkeit hat. Der entscheidende Punkt ist hier die Spielregel, die für Kinder den Rang einer
Notwendigkeit besitzt. Im Sinne unserer These wäre zu fordern, dass die Spielregel einer Notwendigkeit entspricht. Bei vielen Spielen bezieht sich die Spielregel auf Wettbewerb. Das entspricht ohne Zweifel einer Notwendigkeit und bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten. Das Verhalten gegenüber denen, mit denen man im Wettbewerb steht, ist schließlich auch ein zentrales Problem unserer Gesellschaft. Es gibt jedoch Spielregeln, die anderen Notwendigkeiten entsprechen, z. B. das Spielen mit dem Luftreifen, der mit Hilfe eines Stockes dem Partner zugespielt wird und von diesem mit einem gleichen Stock aufgefangen wird. Hier können ganz unterschiedliche Partner miteinander spielen. Ein geglückter Wurf wird durch die schöne Bahn des Ringes belohnt; der vom Ziel abweichende Wurf erfordert Geschicklichkeit beim Fangen und die Abschätzung der voraussichtlichen Flugbahn. Bei solchen differenzierten Spielen kommt es darauf an, dass die Betreuer in der Lage sind, die Spielregel verständlich zu machen.
Als nächstes möchte ich auf den Bau von Spielsachen wie Windräder und Segelschiffchen durch die Kinder eingehen. Das ganze Unternehmen muss auf das Spielen mit solchen Geräten zielen, da es hierdurch auf eine gewisse Notwendigkeit bezogen ist. Ich beginne mit den Windrädern, die für Kinder in vieler Hinsicht eindrucksvoll sind. Die Spielregel wird hier vom Wind vorgegeben. Das Windrad soll so leicht laufen wie nur möglich und gleichzeitig auch starkem Wind standhalten. Es soll sich selbsttätig zur Windrichtung einstellen. Für etwas ältere Jugendliche wäre die Forderung zu stellen, dass das Windrad auch eine gewisse Arbeit leistet. Wenn man die Spielregel verlässt, was unversehens immer wieder geschieht, dann verliert das Spiel an Gehalt und es ist Aufgabe des Betreuers, solches zu korrigieren. Als nächstes wollen wir uns den Segelschiffchen aus Baumrinde zuwenden. Als Spielregel möchte ich den geraden Lauf des Schiffes nennen und die Forderung, dass man nicht nur mit dem Wind, sondern auch schräg zum Wind segeln oder gar gegen den Wind segeln kann. Des Weiteren sollte das Schiffchen so gebaut sein, dass es sich auch bei schwachem Wind vorwärts bewegt.
Wenn man sich bei der Anweisung von Kindern zum Bau von Spielsachen wie Windrädchen oder Segelschiffchen von Notwendigkeiten, die sich aus der Spielregel ergeben, leiten lässt, dann ergeben sich hieraus auch Hinweise auf die Wahl des Materials, auf die Art der Anweisung, auf das Maß der zu wählenden Genauigkeit und Oberflächenbearbeitung und insgesamt auf die Perfektion der Ausführung, die dabei notwendig bzw. wünschenswert ist. Wenn man bei diesen Dingen über das von der Notwendigkeit her vorgegebene Ziel hinausgeht, dann bedeutet das strenggenommen ein Abweichen von der Spielregel, wie es bei mangelhafter Ausführung der Fall ist.
Als nächstes möchte ich auf die Konsequenzen eingehen, die sich aus unserer These für künstlerische und handwerkliche Kurse von Erwachsenen ergeben. Vorrangiges Ziel wäre es da, dass der Teilnehmer lernt, seine Ziele an Notwendigkeiten zu orientieren. Ob es ratsam ist, sogenannte innere Notwendigkeiten von äußeren Notwendigkeiten zu unterscheiden, möchte ich zunächst offen lassen. Weil eine solche Trennung in der Praxis eines Kurses nur willkürlich erfolgen könnte, neige ich dazu derartige Unterscheidungen nach Möglichkeit zu vermeiden.
Als Beispiel für ein Bild, das seine Entstehung einer Notwendigkeit verdankt, habe ich ein kleines Aquarell mitgebracht, das ich 1943 als Soldat in einem kleinen ukrainischen Dorf gemalt habe. Der Anspruch Kunst sein zu wollen, wird dabei in keiner Weise erhoben. Da dieses Bild aus einer gewissen Notwendigkeit entstanden ist, denke ich, dass da doch eine gewisse Verwandtschaft zur Kunst besteht und durch solches Malen Kunstverständnis gefördert wird. Ich denke, dass man Kinderbilder generell so beurteilen sollte. Für unsere künstlerischen und kunsthandwerklichen Kurse sehe ich hierin einen wesentlichen Ansatz zur Gestaltung. Entsprechend unserer These wäre die erste Aufgabe der Kursleiter die Teilnehmer entsprechend den Gegebenheiten mit einer Zielsetzung, die einer Notwendigkeit entspricht, in Verbindung zu bringen. Dabei spielt die Diskrepanz zwischen Vorstellung und Realität natürlich immer wieder
eine große Rolle. Die Wahrnehmung dessen, was im eigenen Werk und in den Werken der anderen Teilnehmer zum Ausdruck kommt, kann auch zu einem Gespräch mit sich selbst, zu einem besseren Verständnis von sich selbst und von anderen Teilnehmern führen. Ich denke, dass es eine interessante Aufgabe für Kursleiter ist, solche Vorgänge anzuregen und in Gang zu halten.
Eine auch im Zentrum alltägliche Arbeit ist die Herstellung von Sauberkeit und Ordnung. Ohne Zweifel handelt es sich dabei um Notwendigkeiten. Wer in der Lage ist, solche Notwendigkeit wahrzunehmen, fühlt sich gedrängt, ein am Boden liegendes Papier aufzuheben, unordentlich abgestellte Dinge gerade zu rücken, über eine bessere Organisation nachzudenken und Anstöße zu deren Verwirklichung zu geben. Wenn solche Wahrnehmung nicht vorhanden ist, dann können solche Arbeiten gleichwohl im Sinne der Erfüllung einer Pflicht ausgeübt werden. Dabei fehlt dann aber so etwas wie ein Vitamin mit der Folge, dass das Ergebnis nicht voll befriedigt, d.h., dass das Wohlbefinden der Menschen, die in den Räumen spielen oder arbeiten, nicht optimal ist.
Ich habe versucht anhand einiger Beispiele die Bedeutung, die der Wahrnehmung von Notwendigkeiten zukommet, darzustellen und will nun unter diesem Aspekt versuchen, einen Blick auf einige aktuelle Dinge zu werfen. Ein Ziel des Zentrums ist es, Kreativität zu fördern. Die Wahrnehmung von Notwendigkeiten ist ein solcher kreativer Vorgang. Der Vorteil unserer Formulierung liegt darin, dass der Vorgang, um den es da geht, anschaulich benannt wird und auch für einen normalbegabten Menschen erreichbar erscheint, was bei dem Begriff ,,Kreativität" nicht in gleicher Weise gegeben ist.
Wenn man sich die Frage nach der Notwendigkeit einer Sache stellt, ist man eigentlich schon auf dem Weg zu deren Wahrnehmung. Solches Fragen ist eine gute Grundlage für Gespräche über eine bestimmte Sache. Es kann helfen zu verhindern, dass Gespräche dadurch ins Leere laufen, dass man sich auf den Standpunkt stellt: Mir bzw. uns gefällt das so, alles andere interessiert nicht weiter. Solches Verhalten bedeutet letztendlich, dass man an der Wahrnehmung von Notwendigkeit vorbeigeht.
Ob der von mir heute dargestellte Ansatz zeitgemäß ist, darüber wird man voraussichtlich geteilter Meinung sein. Er ist auf jeden Fall nicht neu und er liegt auch nicht im Trend unserer Zeit. Die Lebenspraxis vieler Menschen hat offensichtlich das Ziel der Wahrnehmung von Notwendigkeiten aus dem Weg zu gehen, weil man meint, dass es sich damit glücklicher leben lässt. Das Phänomen der Angst spielt da möglicherweise eine große Rolle. Vielleicht liegt eine gewisse Berechtigung und Bedeutung unserer These darin, dass sie gewisse Trends unserer Zeit in Frage stellt und eine gewisse Gegenposition formuliert. Mir ist es wichtig, dass die dargestellte These als eine Bejahung unserer, ein Stück weit von Technik bestimmten Welt, verstanden wird. Es ist mir wichtig, dass im Zentrum nicht Ideologien das Wort geredet wird, sondern, dass man sich vielmehr an der Wirklichkeit orientiert.
Es ist unser Ziel, an Stellen, die wir für besonders wichtig halten, positive Beiträge zur Bewältigung der in der Gesellschaft anstehenden Aufgaben und Probleme zu leisten.
Ansprache zum 70. Geburtstag 22.12.1993
Für die Belegschaften der Firma Hans Kaltenbach, der Dieter-Kaltenbach-Stiftung, des Berufsbildungsvereins (bbV) und des Vereins für Jugend- und Berufshilfe (VJB)
In den 70 Jahren meines Lebens, auf die ich heute zurückblicken darf, habe ich annähernd 50 Jahre in der Maschinenfabrik Kaltenbach in unterschiedlicher Funktion mitgearbeitet, zum
1. Mal 1939 zu Kriegsbeginn, als mein Vater mit zahlreichen Mitarbeitern eingezogen worden war. 1945 bin ich dann endgültig in die Firma eingetreten, nachdem ich aus Krieg und Gefangenschaft nach Hause zurückgekehrt war. Der Neuanfang nach dem Krieg war schwierig. Es erwies sich, dass die alten Produkte nicht mehr zeitgemäß waren und einige Versuche neue zu gestalten, von einer überaus schnellen wirtschaftlichen und technischen Entwicklung überholt wurden. Einige heute im Ruhestand lebende Mitarbeiter haben diese Zeit miterlebt und ihren Teil beigetragen, als im Jahr 1953, wo es darum ging den Bestand der Firma in einer überaus schwierigen Situation (Vergleich, Anmerkung des Herausgebers) zu erhalten.
In den 60er und 70er Jahren ist die Firma dann schnell gewachsen und die Kaltenbach Kaltkreissägen fanden weltweit Verbreitung und Anerkennung. In diese Zeit fällt auch die Gründung der Dieter-Kaltenbach-Stiftung und des Zentrums für Spielen und Gestalten. Im Hinblick auf einen zu erwartenden allgemeinen Mangel an Lehrstellen durch geburtenstarke Jahrgänge wurde 1976 der Berufsbildungsverein gegründet. Er hat im Laufe der Jahre im Auftrag des Arbeitsamtes unterschiedliche Aufgaben wahrgenommen und im Bereich der Berufsbildung im Zusammenwirken mit der Firma Kaltenbach bis heute vorbildliche Arbeit geleistet. Im Hinblick auf die Verluste des Unternehmens durch den Betrug (ca. 20 Mio DM, Anmerkung des Herausgebers), der in unserer Firma stattgefunden hat, waren Maßnahmen unausweichlich notwendig um das Unternehmen über die Zeit der Rezession zu retten und zu erhalten.
Die Voraussetzungen, unter denen Arbeit stattfinden kann, haben sich nicht nur in der Firma Kaltenbach in den letzten Jahren grundlegend verändert, das gilt insbesondere für die im internationalen Wettbewerb stehenden Betriebe und Wirtschaftszweige unseres Landes. In der Diskussion um den Standort Deutschland kommt das deutlich zum Ausdruck. Die Situation deutet darauf hin, dass auch an unser Sozialsystem gewisse Fragen gestellt und Veränderungen durchgeführt werden müssen. Wenn man vom Standort Deutschland spricht, dann geht es da um Veränderungen und Zielsetzungen, an denen alle hier anwesenden Institutionen beteiligt sind, auch die Kaltenbach-Stiftung, der BBV und der VJB.
Zu der erwähnten Frage nach der inneren Einstellung zur Arbeit in der heutigen Situation möchte ich nun noch einige Überlegungen und Gedanken beitragen und dabei von dem Vers aus einem Gedicht (von Theodor Fontane, Anmerkung des Herausgebers) „Wer schaffen will muss fröhlich sein“, ausgehen.
Zunächst wäre da zu sagen, dass das Wort schaffen etwas anderes ausdrückt als das Wort arbeiten. Wenn es hieße, wer arbeiten will muss fröhlich sein, dann ergibt das einen anderen Sinn als wenn ich sage, wer schaffen will muss fröhlich sein. Die hochdeutsche Sprache macht einen deutlichen Unterschied zwischen arbeiten und schaffen, den z.B. das Alemannische und das Schwäbische nicht kennt. Da gibt es nur das eine Wort schaffen. Im Hochdeutschen spricht man von schaffen, wo es sich um bedeutsame Dinge handelt z.B. Arbeitsplätze müssen geschaffen werden, Kunstwerke werden geschaffen, bevor man mit der Arbeit beginnen kann, müssen dafür die Voraussetzungen geschaffen werden. Im Wort schaffen schwingt etwas mit vom biblischen Wort über die Erschaffung der Erde, die Erschaffung des Menschen. In den zurückliegenden Jahren entsprach es der allgemeinen Auffassung, dass es in der Wirtschaft, in
der Technik im sozialen Bereich und oftmals auch in der Kunst mehr darum geht, die anstehenden Aufgaben im Sinne von Arbeit zu organisieren und zu erledigen. Das Wort schaffen hat etwas Hintergründiges an sich, das vielfach missbraucht wird. Deshalb ist es sicher richtig, wenn man mit dem Wort schaffen zurückhaltend und behutsam umgeht.
Die Probleme vor die wir im Blick auf den Standort Deutschland gestellt sind, sind derart lebenswichtig, dass das Wort schaffen da meines Erachtens durchaus am Platze ist. Ich habe den Eindruck, dass wir heute bei vielen Aufgaben mit dem Engagement, das normalerweise hinter dem Wort arbeiten oder erarbeiten steht, der Aufgabe nicht mehr gerecht werden können. Betrachten wir unsere alltägliche Arbeit, dann ist das Element des Schaffens neben dem Element des Arbeitens immer mit dabei. Ich denke, dass es letzten Endes am Einzelnen liegt, ob er dazu neigt, bestimmte Dinge auf dem Weg der Arbeit zu erreichen oder ob er seine Kräfte im Sinn von Schaffen einsetzten will. Im Schaffen orientiert sich der Wille an einem endgültigen Ziel, am Sinn der Sache, beim Arbeiten ist es offen, wie weit das gewollt notwendig und möglich ist. Ich neige dazu, es als Notwendigkeit und als ein menschliches Ziel zu sehen, dem Schaffen gegenüber dem Arbeiten mehr Gewicht und Chancen zu geben, als dies in der Vergangenheit üblich war.
Solches Schaffen hat wenig zu tun mit dem, was man unter Se1bstverwirk1ichung in der Arbeit versteht. Letzten Endes geht die Tendenz da eher in die gegengesetzte Richtung. Wenn man etwas schaffen will, dann bedeutet das, dass man sich ganz auf die Aufgabe konzentriert, dass man Gefühle und Gedanken die dem Eigennutz entspringen, zurückdrängt und bewusst in Grenzen hält. Es ist außer Zweifel, dass das Schaffen hohe Anforderungen an den Willen und an die innere Disziplin stellt. Wenn man sich die vielen ungelösten Probleme, die Not und die Feindschaft, die in vielen Ländern derzeit herrschen, vor Augen führt, dann frägt man sich, ob und wie das überhaupt in absehbarer Zeit zu schaffen ist. Zum Schaffen gehört, dass man den Mut hat, sich Ziele zu setzten wo man den Weg zum Ziel nicht kennt. Mitunter ist es dann so, dass was man als Weg verstanden hat, sich als ein aussichtsreiches Ziel oder mindestens doch als Zwischenziel erweist.
Im zweiten Teil unseres Sprichwortes wird für das Schaffen eine Bedingung gestellt "Wer schaffen will, muss fröhlich sein". Ob man dem in dieser Form allen Ernstes zustimmen kann oder ob das mehr als ein Spruch für fröhliche Stunden nach der Arbeit zu verstehen ist? Ich neige dazu, in diesem muss einen wesentlichen und einen allgemein gültigen Hinweis zu sehen. Das Wort Fröhlichkeit ist dabei sicher nicht als irgendeine Form von Ausgelassenheit zu verstehen. Die hier gemeinte Fröhlichkeit ist wohl eher in Richtung gelassener Fröhlichkeit zu verstehen, zu der immer auch ein Stück Bescheidenheit gehört und ein gewisses Vertrauen zur Welt, zu den Menschen und zu einer übergeordneten Führung. Im Hinblick auf unsere derzeitige Situation könnte man das Wort Fröhlichkeit als Offenheit für die Möglichkeiten, als Offenheit für neue sinnvolle Zielsetzungen verstehen. Das weist letztlich auf den überaus bedeutsamen Begriff der Gelassenheit hin. Fröhlichkeit und Gelassenheit sind Dinge, die man nicht erzeugen kann. Man kann es zulassen, dass sie geschehen, aber sie geschehen nur, wenn es einem gelingt, dass man sich selbst zurücknimmt. Fröhlichkeit hat auch etwas zu tun mit Dankbarkeit und mit der Wertschätzung für die Dinge und die Menschen mit denen man an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit zusammen kommt. Die in unserem Spruch gebotene Fröhlichkeit kann auch als ein Gegengewicht zu dem hohen Engagement, das beim Schaffen gefordert ist, verstanden werden und als Hinweis auf die unserem Schaffen vorgegebenen Grenzen.
Die Situation und die Gegebenheiten in denen wir leben, weisen darauf hin, dass es da beim Schaffen nicht um die Realisierung von Utopien von menschlichen Träumen geht, sondern immer wieder um die Realisierung von Möglichkeiten, die uns durch unsere menschliche Existenz und die Wirklichkeit in der wir leben, als Schicksal und als Chance vorgegeben sind.